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NEBRASKA (USA 2013)

von Sebastian Moitzheim

Original Titel. NEBRASKA
Laufzeit in Minuten. 115

Regie. ALEXANDER PAYNE
Drehbuch. BOB NELSON
Musik. MARK ORTON
Kamera. PHEDON PAPAMICHAEL
Schnitt. KEVIN TRENT
Darsteller. BRUCE DERN . WILL FORTE . JUNE SQUIBB . BOB ODENKIRK u.a.

Review Datum. 2014-01-26
Kinostart Deutschland. 2014-01-16

Das Interessanteste an Alexander Paynes NEBRASKA ist ohne Frage die Besetzung. Da ist in erster Linie natürlich Bruce Dern: Sein Woody ist Dreh- und Angelpunkt des Plots und, obwohl oft unausstehlich, doch ein absolut magnetischer, faszinierender Charakter. Man weiß nie so genau, ob Woody deswegen so wenig sagt und so unfreundlich ist, weil er auf all die je nach Sichtweise bodenständigen oder ambitionslosen Menschen um sich herum herabsieht oder weil er seine Wut über die ihn langsam ergreifende Senilität an anderen auslässt, ob er eine stolze oder eine selbstmitleidige Figur ist. Das ist in hohem Maße Derns zurückgenommener, vielschichtiger Performance zu verdanken und zu Recht wird von allen an NEBRASKA Beteiligten wohl vor allem über ihn gesprochen.
Zwei weitere Schauspiel-Veteranen sind in Schlüsselrollen zu sehen: June Squibb als Woodys zunächst etwas cartoonhafte, im Laufe des Films aber ebenfalls an Tiefe gewinnende Frau. Und Stacy Keach als ein alter Freund (und eine neue Nemesis) Woodys.
Neben all den Jahrzehnten geballter Schauspielerfahrung gehen zwei andere Darsteller ein wenig unter, obwohl deren Besetzung nicht weniger interessant ist. In den straight man-Rollen, den ruhenden Polen des Films, hat Payne ausgerechnet zwei Comedians gecastet: Will Forte (SATURDAY NIGHT LIVE, 30 ROCK) als Woodys Sohn David, durch dessen Augen wir die Handlung erleben. Und Bob Odenkirk (MR. SHOW WITH BOB AND DAVID, BREAKING BAD) als Davids Bruder Ross. Beide spielen ungewohnt zurückgenommen, in Kontrast zu ihren oft over-the-top angelegten Comedy-Performances. Die Besetzung bekannter Comedians in diesen Rollen hat allerdings auch etwas leise ironisches, ein Augenzwinkern Paynes, für den ein Film wie NEBRASKA in erster Linie eine Fingerübung sein dürfte.

Denn abgesehen von der Besetzung und eventuell der Entscheidung, den Film in schwarz/weiß in die Kinos zu bringen, gibt es an NEBRASKA eigentlich wenig Bemerkenswertes. Der Film ist ein klassisches, formelhaftes Road Movie, ein Genre, das Payne bereits mehrfach bespielt hat und entsprechend routiniert beherrscht.

In der Tradition des Genres erzählt auch NEBRASKA keine besonders spannende oder komplexe Geschichte, sondern konstruiert eine etwas angestrengte Prämisse als Vorwand, seine beiden Hauptfiguren - Woody und David - dazu zu zwingen, Zeit miteinander zu verbringen: Woody glaubt, eine große Geldsumme gewonnen zu haben und möchte diese persönlich in Lincoln, Nebraska abholen. David weiß, dass es sich bei dem "Gewinn” um Betrug handelt, erklärt sich aber trotzdem bereit, seinen Vater nach Lincoln zu fahren, um etwas quality time mit ihm zu verbringen.

Auf ihrer Reise treffen die beiden nun in einer Reihe von Vignetten auf verschiedene Nebenfiguren, die, ebenfalls in der Tradition des Genres, in unterschiedlichem Grade als "schrullig” charakterisiert werden können. Über die, so ein immer wieder in Kritiken zu NEBRASKA auftauchender Vorwurf, mache Payne sich lustig, schaue zu ihnen herab. Obwohl nachvollziehbar ist, woher der Vorwurf kommt - es gibt eine Vielzahl von Momenten in NEBRASKA, in denen wir über die Figuren lachen, und es gibt ein paar Figuren, die keine andere Reaktion hervorrufen - scheint mir dieser Vorwurf doch unfair gegenüber Payne und Drehbuchautor Bob Nelson. Was anderswo als Arroganz oder Spott interpretiert wird, empfand ich schlicht als konsequente Verweigerung von Sentimentalität. Payne kennt seinen Heimatstaat Nebraska und die Menschen, die dort leben. Wie akkurat er sie portraitiert, ist von Weitem natürlich schwer zu beurteilen, doch selten sieht man einen Film, der von so lebendigen Charakteren bevölkert ist, die so weit entfernt sind von Stereotypen und sich nie darauf reduzieren lassen, welche Funktion sie im Plot erfüllen, sondern ihr eigenes, über die Geschichte des Films hinausgehendes Leben zu führen scheinen. Es liegt zumindest nahe, dass solch sorgsam ausgearbeitete Charaktere das Ergebnis aufmerksamer Beobachtung sind. Doch ob sie dem echten Nebraska nun nahe kommt oder nicht, Payne hat, basierend auf Nelsons Drehbuch, seine eigene kleine Welt, seinen eigenen Mikrokosmos geschaffen. Der mag gelegentlich komisch oder gar lächerlich sein, doch er ist glaubhaft, gerade weil es Payne egal ist, ob wir seine Charaktere mögen oder nicht, ob wir sie auch nur respektieren - solange wir sie interessant finden.

Es war schon immer eine Stärke von Alexander Payne, den Orten, an denen seine Filme spielten, Textur zu geben und sie mit echten Menschen zu bevölkern. In einem Film wie NEBRASKA ist das doppelt wichtig: So ziellos und mäandernd Woodys und Davids Reise ist, so vorhersehbar die Lektionen, die sie über den Umgang miteinander lernen, macht es doch einfach Spaß, sie auf dieser Reise zu begleiten und mit ihnen die seltsamen, faszinierenden Einwohner von Paynes Nebraska kennenzulernen.











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