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LACHSFISCHEN IM JEMEN (Frankreich/USA 2012)

von Andreas Günther

Original Titel. SALMON FISHING IN THE JEMEN
Laufzeit in Minuten. 112

Regie. LASSE HALLSTRÖM
Drehbuch. SIMON BEAUFOY. PAUL TORDAY
Musik. DARIO MARIANELLI
Kamera. TERRY STACEY
Schnitt. LISA GUNNING
Darsteller. EWAN MCGREGOR . EMILY BLUNT . KRISTIN SCOTT THOMAS . RACHEL STIRLING u.a.

Review Datum. 2012-05-17
Kinostart Deutschland. 2012-05-17

Man kennt das ja. Das Projekt, um das es geht, ist schwierig zu realisieren und eigentlich auch ziemlicher Unsinn. Und dennoch demonstriert man in angemessener Weise Begeisterung, erscheint sehr pünktlich zu den Meetings, auf die man sich gründlich vorbereitet hat, und weiß mit klugen Einfällen und geistreichen Witzen zu glänzen. Das Interesse gilt den Menschen, die wir dabei treffen. Das Projekt ist nur ein Vorwand. Wenn es gefährdet ist, fangen wir an, darum zu kämpfen, und machen uns vor, es könnte gelingen, koste es, was es wolle, damit wir die Menschen, die damit verbunden sind, wiedersehen dürfen. Nein, eigentlich nur einen bestimmten Menschen. Den, in den wir uns verliebt haben.

So ungefähr erzählt Lasse Hallström in seiner Verfilmung von Paul Tordays Roman Lachsfischen im Jemen eine Liebesgeschichte von zwei Büromäusen, die in ihrem bisherigen Leben wie kalte Fische gewesen sind. Worum es eigentlich geht, merkt man aber nicht gleich, weil die Leinwandfassung zunächst dem satirischen Ansatz der Vorlage treu bleibt. Auch in postimperialen Zeiten will Großbritannien demnach im Ausland und insbesondere in der arabischen Welt etwas hermachen. Angesichts vieler schlechter Nachrichten über versehentlich bombardierte Moscheen und ähnliche Kriegsgräuel an den Krisenherden der Welt muss endlich eine rundum positive Story her. Wie wäre es, wenn das Vereinte Königreich dem Scheich Muhammad ibn Zaidi bani Tihama (Amr Waked) aus dem Jemen dabei helfen würde, in seinem Wüstenstaat Lachse für das Fliegenfischen anzusiedeln? Die PR-Beraterin des Premierministers Patricia Maxwell (Kristin ScottThomas) findet diese Idee unwiderstehlich.

Woraus sich der Auftritt der Liebenden ergibt, die freilich von ihren Gefühlen füreinander noch nichts wissen. Die Unternehmensberaterin Harriet Chetwoode-Talbot (Emily Blunt) wendet sich im Auftrag des Scheichs an den international renommierten und in britischen Diensten stehenden Fischereiexperten Dr. Alfred Jones (Ewan McGregor), damit er das Projekt als Wissenschaftler begleite. Weil nordeuropäische Lachse zum Gedeihen eine bestimmte, nicht zu hohe Temperatur und vor allem viel Wasser benötigen, lehnt Jones mit einer nur kurzen Antwort eine Mitwirkung ab. Doch dem politischen Druck muss er sich beugen. Und spätestens bei dem Treffen auf dem Schloss des Scheichs in Schottland verliebt er sich in Harriet. Warum?

Lasse Hallström führt in LACHSFISCHEN IM JEMEN die denkbar langweiligsten Menschen zu einem Paar zusammen. Dabei ist dieser Regisseur doch für seine schillernden Liebespaare bekannt: Seien es nun die längst erwachsene, aber immer noch bei ihren Eltern lebende Renata Bella (Holly Hunter) und der flamboyante Immobilienmakler Sam Sharpe (Richard Dreyfuss) in EIN CHARMANTES EKEL , die Schokoladenhändlerin Vianne (Juliette Binoche) und der geheimnisvolle Hausboot-Zigeuner Roux (Johnny Depp) in CHOCOLAT, oder die tugendhafte Francesca (Sienna Miller) und der berüchtigte Casanova (Heath Ledger) in dem gleich nach dem Verführer benannten Film. Demgegenüber sehen Alfred Jones und Harriet vielleicht recht gut aus, sind aber dabei völlig unerotisch und äußerst durchschnittlich.

Während Hallström in seinen früheren Filmen ungewöhnliche Menschen mit sehr gewöhnlichen Wünschen gezeigt hat, ist es in LACHSFISCHEN IM JEMEN genau umgekehrt. Die Liebe ist für die Helden eine Chance, aus der Mittelmäßigkeit ihres Daseins zu entkommen und etwas Großartiges zu erleben. Das Projekt, Lachse im Jemen anzusiedeln, wird dafür mehr und mehr zur Metapher. Der romantische Liebesfilm wird hier an einen gewissen Endpunkt geführt, weil gezeigt wird, dass die großen Gefühle auf einer ebensolchen Illusion beruhen wie anzunehmen, man könnte Fischschwärme durch die Wüste schwimmen lassen. Bis auf den irrigen Glauben an ihre Empfindungen verändern sich Alfred und Harriet nicht.

Lasse Hallströms Schauspielerführung und ein thematisch treffsicheres Drehbuch vermögen das mit höchst einfachen und effektiven Mitteln zu zeigen. "Du wirst dich zu deinem mittelmäßigen Leben zurücksehnen", wird Alfred von seiner Gattin Mary (Rachel Stirling) hinterhergezischt, als er aus seiner Zweckehe mit ihr aussteigen will. Sie ahnt nicht, dass er sich gerade ein Duplikat seines bisherigen Daseins erschafft. Ewan McGregor gewinnt als Alfred das Herz von Harriet mit seinem schweren schottischen Akzent, der wunderlichen Hartnäckigkeit, mit der er sie zum Verspeisen seiner Butterbrote bewegt, und der Liebenswürdigkeit, Fischköder nach ihr zu benennen. Harriet beginnt diesen Beistand umso mehr zu schätzen, als ihr Freund Robert (Tom Mison) als Soldat in Afghanistan als verschollen gilt. Auch die Strahlkraft eines Nachwuchsstars wie Emily Blunt, die als Harriet so nichtssagend redet, verlegen ihre Sonnenbrille befummelt oder ungelenk die Hände in die hinteren Jeanstaschen schiebt, ist gekonnt heruntergedimmt auf die einer Person von frappierender Normalität.

Hallström unternimmt ein Experiment, das, treibt man es noch ein bisschen weiter, das Genre der romantischen Komödie ziemlich in Frage stellen könnte. Der Rest des Films - Attentate auf den Scheich, Sabotage beim Staudammbau, politische PR - lenkt davon fast zu sehr ab.











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