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KRIEG DER WELTEN (USA 2005)

von Saskia Vömel

Original Titel. WAR OF THE WORLDS
Laufzeit in Minuten. 117

Regie. STEVEN SPIELBERG
Drehbuch. JOSH FRIEDMAN . DAVID KOEPP
Musik. JOHN WILLIAMS
Kamera. JANUSZ KAMINSKI
Schnitt. MICHAEL KAHN
Darsteller. TOM CRUISE . DAKOTA FANNING . JUSTIN CHATWIN . TIM ROBBINS u.a.

Review Datum. 2005-06-29
Kinostart Deutschland. 2005-06-29

Vorab will ich gestehen, dass ich weder das Buch gelesen, noch den Klassiker gesehen, noch das Hörspiel gehört habe – aber ich kenne den neuen Spielberg. Es gibt nur noch wenige Regisseure, bei denen man sagen kann, ich habe den Neuen "den-und-den" gesehen. Einer, bei dem man es mit Fug und Recht sagen kann, ist Regie-Gott Steven Spielberg. Genauso selten ist es bei den vermeintlichen Stars geworden, aber nach wie vor ist Tom Cruise ein unbestrittener Superstar (trotz VANILLA SKY, und, wie leider manche Leute sagen würden, COLLATERAL). Wie schon in MINORITY REPORT fanden sich beide zusammen und haben sich, wie sie sagten, einen Traum erfüllt: Einen Film zu drehen, den sie ihren Kindern zeigen können... Die Kinder sollten aber dringendst aus dem Vorschulalter heraus sein, denn schon nach 10 Minuten gibt es grobe Verluste: Männer wie auch Frauen (!) werden von Aliens zerstäubt, und als auch noch einer der eingeführten Charaktere weggeblasen wird, weiß der freudig erregte Zuschauer, dass hier der Meister von JURRASIC PARK am Werk ist (und nicht der von A.I. und AMISTAD, wobei A.I. auch ein guter Film ist...).

Die Geschichte, die erzählt wird, hat jeder irgendwo mal gehört: Eine technologisch hochentwickelte Spezies kommt auf unsere Welt und will die Menschheit ausrotten. Tom Cruise spielt Ray Ferrier, eins der Milliarden potentiellen Opfer, er ist Dockarbeiter, noch ein Loser, der als Ex am Wochenende einmal auf seine zwei Kinder, seine kleine Tochter Rachel (Dakota Fanninger) und seinen pubertierenden Sohn (Justin Chatwin) aufpassen darf, als die Invasion beginnt. Es beginnt die Flucht. Die Menschheit scheint verloren.

Wie schon gesagt, kracht es richtig. Aber es gibt auch ruhige Bilder von unfassbarer Stärke, die an expressionistisches Kino erinnern und alptraumhaft das Aussterben unserer Gattung in Bilder fassen. Etwa wenn die kleine Tochter am Fluss steht, der romantisch in der Sonne glitzert und die Idylle durch eine vorbeischwimmende Leiche gestört wird, ein Strom von Leichen folgt, die Kinderaugen blicken ungläubig und das Schicksaal unserer Rasse scheint besiegelt. In einer anderen Szene wünscht sich Cruises Tochter, dass ihr Vater ihr ihr Lieblingsschlaflied vorsingt. Er kennt es nicht. Sie schlägt ihm ein anderes Lied vor, das ihm ebenfalls fremd ist. Hier wird klar, dass die gesamte Kultur, unser Leben, unsere Erinnerungen ausgelöscht werden. (Tja, dann beginnt er doch noch zu singen.)

Es ist eine Überraschung: Dakota Fanning ist wirklich gut und nervt nicht (wie meist sonst Kinder in Hollywoodproduktionen). Cruise strengt sich an und ist ein glaubwürdiger Vater – und sieht dabei wie immer phantastisch aus – doch auch in KRIEG DER WELTEN liegt der lang ersehnte Oscar voraussichtlich in weiter Ferne. Weshalb ich darauf komme ist, dass auch in diesem Film Cruise in Woody Allen-Manier seine Co-Stars nach vorne bringt (wie letztlich erst Jamie Foxx oder Cuba Gooding Jr.). Diesmal heißt das As im Ärmel Tim Robbins, der den durchgeknallten Einzelkämpfer im Untergrund, Ogilvy, gibt.

Eine der vielen markanten Szenen ist die Durchsuchung des finsteren Unterschlupfs von Ogilvy, in der Ray und seine Tochter Zuflucht gefunden haben, durch ein Alien. Es erinnert ein wenig an die Szene in MINORITY REPORT, in der die Sensorenspinnen nach Cruise spähen, der sich in einer mit Eiswürfeln gefüllten Badewanne versteckt hält. Und hier erkennt man auch ein signifikantes Merkmal des Films: In KRIEG DER WELTEN ist nichts verspielt, sondern gerade heraus und gemahnt eher an die Horror- und Katastrophenfilme der 70er Jahre. Es gibt keinen Schickschnack: Das Alien hat einen langen Arm, der sich durch die Räume schlängelt und an dessen Ende sich ein Auge befindet. Ein typisches Katz- und Mausspiel zwischen Späher und Gejagten beginnt, alles in solider Manier gefilmt, irgendwie ist alles wie damals, aber auch irgendwie gut.

Ein Wermutstropfen ist ganz klar das Ende. Der Showdown fehlt, was den Zuschauer etwas ratlos zurücklässt. Spielberg, der Gutgläubige, lässt es sich außerdem nicht nehmen, ein Happy End zu inszenieren, das unangebracht erscheint (aber mit vorhergehendem Showdown besser erträglich gewesen wäre).

Es ist ein grader, ehrlicher Jungsfilm, in der Tradition der 70er Jahre. Und es gibt Momente, in denen die Bilder ihrer eigene Magie entwickelt. Ein bisschen mehr noch und es wäre der Film geworden, auf den wir alle gewartet hätten. Er ist trotzdem was Besonderes, Spielberg ist einfach ein großer Regisseur und Cruise guckt man sehr, sehr gerne zu...


Dieser Text wurde verfaßt, bevor der Verleih von KRIEG DER WELTEN sein vieldiskutiertes Rezensionsverbot verhängte. Obwohl wir die Politik der amerikanischen UIP ebenso skandalös finden wie unsere Kollegen, sehen wir keinen Grund, unseren Lesern eine Meinung zum Film - insbesondere eine, die noch nicht überschattet wurde von den Eskapaden des Hauptdarstellers und des Verleihs - vorzuenthalten.
Es wird sicherlich ein Weg gefunden werden müssen, zukünftig solcherlei Bestimmungen zu unterlaufen. Als wir unseren Text für über eine Woche online hatten, konnten wir dem Druck jedoch nicht mehr standhalten, da wir - bis auf Harry Knowles' Seite, die ihre Rezension von einem Besucher der Europapremiere erhielt - weit und breit allein da standen. Das "unumwundene Recht der Leser auf Filmkritiken" hätte nur unter Androhung ominöser Schadenersatzforderungen durchgesetzt werden können, und das war es uns (noch) nicht wert. So entschieden wir uns nach langer Überlegung, dem Verbot nachzukommen.
Die Redaktion











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