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KIDNAPPED (Spanien 2010)

von Sebastian Moitzheim

Original Titel. SECUESTRADOS
Laufzeit in Minuten. 90

Regie. MIGUEL ÁNGEL VIVAS
Drehbuch. JAVIER GARCÍA . MIGUEL ÁNGEL VIVAS
Musik. SERGIO MOURE
Kamera. PEDRO J. MÁRQUEZ
Schnitt. JOSÉ MANUEL JIMÉNEZ
Darsteller. FERNANDO CAYO . CÉSAR DÍAZ . DRITAN BIBA . GUILLERMO BARRIENTOS u.a.

Review Datum. 2011-05-04
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Mit KIDNAPPED will der spanische Regisseur Miguel Ángel Vivas betont realistisch einen Überfall auf das Haus einer dreiköpfigen Familie zeigen. Nach einem etwas seltsamen, im Grunde überflüssigen Prolog, der Andeutungen über die Praktiken der Verbrecher macht, präsentiert er dem Zuschauer daher recht schnörkellos sein Setup: Die Familie, bestehend aus Vater Jaime (Fernando Cayo), seiner Frau Marta (Ana Wagener) und Tochter Isa (Manuela Vellés), ist gerade umgezogen und verbringt ihren ersten Abend im neuen Heim, als unvermittelt maskierte Männer ins Haus einbrechen. Sie halten Isa und Marta im Wohnzimmer fest, während einer von ihnen mit Jaime zum Geldautomaten fährt, um die Konten der Familie zu leeren.

Man muss es nochmal betonen: KIDNAPPED ist realistisch (oder will das zumindest sein). Von der Kameraarbeit, dominiert von wackliger Handkamera, über die Performances, die weitestgehend mit dem Wort "hysterisch" hinreichend beschrieben sind, bis hin zum Handlungsverlauf, der so gar keinen Drehbuchkonventionen folgen mag, scheint alles auf eine authentische Darstellung der Situation hinzuarbeiten. Zu Anfang funktioniert das auch gar nicht mal schlecht: In den ersten Minuten nach dem Einbruch erzeugt KIDNAPPED eine dichte Atmosphäre und schafft ein beklemmendes, authentisches Gefühl für das Aufbrechen der familiären Sicherheit. Vivas setzt einige durchaus wirkungsvolle Schockmomente, verzichtet aber anfangs darauf, Gewalt explizit zu zeigen, denn er weiß, zumindest im ersten Akt, wo seine Stärken liegen: In der Darstellung der Angst seiner Figuren.

Doch schon bald offenbart KIDNAPPED sein großes Problem: Der Film will eine Situation zeigen, keine Geschichte erzählen - und kann deshalb nicht annähernd über die gesamte Laufzeit fesseln. Binnen kurzer Zeit sind alle möglichen Schockmomente, alle kleinen Hoffnungsschimmer für die Protagonisten, die die Grundkonstellation hergibt, durchexerziert. Da die Exposition keinen Wert auf ausgearbeitete Figuren legt, ja anscheinend bewusst austauschbare, "normale" Charaktere entwirft, um die Allgegenwärtigkeit der Bedrohung zu unterstreichen, können auch die Figuren den Film allein nicht tragen. Der Ausweg aus dieser erzählerischen Sackgasse ist in KIDNAPPED: mehr Gewalt. Vivas lässt zunächst die Verbrecher, später auch die Familie selbst immer brutaler (und hysterischer) werden. Die Verbrecher beginnen plötzlich, sich irrational und unprofessionell zu verhalten (obwohl der Prolog nahelegte, dass sie Erfahrung mit dieser Art von Verbrechen haben), während die Familie offenbar einen plötzlichen Drang zu Heldentaten spürt. Von jetzt an schichtet Vivas nur noch Schock auf Schock, lässt die beidseitige Gewalt zum Selbstzweck werden, ohne sich wenigstens um einen Spannungsbogen zu scheren. Dass er dabei die von der Familie ausgehende Gewalt explizit zeigt, während er bei den Verbrechern konsequent wegschaut, ist zu allem Überfluss auch noch unangenehm glorifizierend - wenn ein Mensch einem anderen mit einer schweren Vase den Kopf zertrümmert, mag man das - unabhängig von der Situation - kaum als den Triumph begreifen, als den Vivas es inszeniert.

Was KIDNAPPED am Ende also fehlt, ist eine echte Exposition, die die Figuren als echte, lebendige Charaktere präsentiert anstatt als Platzhalter für "irgendeine Familie". Zwar kann man dem Film eine gewisse Wirksamkeit, eine recht eindrucksvolle Darstellung der Grundsituation nicht abstreiten, doch reicht das weder, um alle erzählerischen Schwächen zu überbrücken, noch um die zynische, überzogene Gewaltdarstellung gegen Ende vergessen zu machen.

KIDNAPPED ist ab dem 03.06.2011 von Universum Film auf DVD und Blu-ray erhältlich.











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