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JANE EYRE (Großbritannien 2011)

von David Leuenberger

Original Titel. JANE EYRE
Laufzeit in Minuten. 120

Regie. CARY JOJI FUKUNAGA
Drehbuch. MOIRA BUFFINI
Musik. DARIO MARIANELLI
Kamera. ADRIANO GOLDMAN
Schnitt. MELANIE ANN OLIVER
Darsteller. MIA WASIKOWSKA . MICHAEL FASSBENDER . JUDI DENCH . JAMIE BELL u.a.

Review Datum. 2011-11-21
Kinostart Deutschland. 2011-12-01

Eigentlich ziemlich peinlich! Der Verfasser schaut sich die neue Kinoverfilmung eines Klassikers der Weltliteratur an und hat weder einen einzigen der 19 Vorgänger gesehen, noch die Romanvorlage gelesen. Naja, wenigstens hat er sich eine Zusammenfassung auf einer gängigen Online-Enzyklopädie mal angeguckt. Praktisch ist, dass er sich nicht groß um einen Vergleich bemühen kann bzw. muss und dadurch die Möglichkeit hat, sich JANE EYRE voll und ganz unbefangen zu widmen. Und der zweite abendfüllende Spielfilm Cary Joji Fukunagas (SIN NOMBRE) hat auch an sich durchaus vieles Gutes zu bieten!

Er beginnt mit Jane Eyres (Mia Wasikowska) panischer Flucht aus dem Anwesen Thornfield. Hungernd, durchnässt und durchgefroren findet sie Zuflucht beim Missionar St. John Rivers (Jamie Bell) und seinen beiden Schwestern. In der Abgeschiedenheit des asketischen Landhauses erinnert sie sich an ihre frühe Kindheit im Waisenheim, die von systematischen Demütigungen, Erniedrigungen und körperlichen Misshandlungen geprägt wurde. Als junge Erwachsene findet sie eine ruhige Stelle als Gouvernante in Thornfield. Mit der Rückkehr des Hausherren, Edward Rochester (Michael Fassbender), auf sein Anwesen, gerät das Leben Janes aus den Fugen. Zwischen dem Adeligen und dem Mädchen aus niedrigem Stande entwickelt sich eine auf gegenseitigem Respekt beruhende Freundschaft, und später mehr.

Charlotte Brontës Roman aus dem Jahre 1847 behandelte auf gut über 600 Seiten vielfältige und komplexe Themen: Feminismus als Befreiung nicht nur von Frauen, sondern der ganzen Menschheit, die Problematik individueller Menschenwürde, der Umgang mit Klasse in einer sich entfaltenden bürgerlichen Gesellschaft, sozial tolerierte Gewalt (vor allem gegen junge Mädchen). Fukunagas JANE EYRE schneidet diese Themen jedoch nur sehr beiläufig an und konzentriert sich in seiner ruhigen und soliden Inszenierung vielmehr auf die Entwicklung der Charaktere selbst. Narrativ ist er sehr konsequent aus Janes Perspektive gefilmt. Der Zuschauer leidet, freut sich, fürchtet sich, und fühlt gänzlich mit der Hauptfigur. Sie wird von der Kamera besonders aufmerksam und stark bevorzugt behandelt und auf wundersame Art und Weise gefilmt: oft im Halbprofil, wie ein Gemälde. Mia Wasikowska (richtige Aussprache: Waschikowska), die in Gus Van Sants RESTLESS zwar nicht schlecht aber auch nicht hundertprozentig überzeugend gewesen ist, trägt hier erheblich zum Gelingen des Films bei. Sie schultert den ganzen Film, auch wenn Michael Fassbender den bedrohlichen Sexappeal Rochesters und Jamie Bell die hölzerne Verklemmtheit St. Johns exzellent einfangen. Lediglich Judi Dench als Verwalterin Mrs. Fairfax kommt einem überflüssig vor, was nicht so sehr an ihrer Darstellung liegt als an der Adaptation der Figur, die im Roman anscheinend zentral war, im Film aber keine wirkliche Funktion mehr erfüllt.

JANE EYRE ist ein schöner, weil auch sehr atmosphärischer Film. Nicht nur ist die Ausstattung opulent. Auch die Bilder der trostlos kargen und gespenstisch nebeligen englischen Landschaften und Wälder suggerieren die Abgeschnittenheit Thornfields von jeglicher Zivilisation und verstärken das Gefühl von Janes Verlassenheit. Auch die mal dezente, mal leidenschaftliche Musik des italienischen Filmkomponisten Dario Marianelli sorgt für eine beklemmende und bedrohliche Atmosphäre. Lediglich im letzten Teil des Films, als sich der achronologische Erzählkreis wieder schließt, stellt sich eine gewisse Langatmigkeit ein. Paradoxer- und unglücklicherweise wird diese in den letzten paar Minuten des Films durch eine allzu hektische Zeitraffung gebrochen, die gar nicht zur ansonsten so angenehm ruhigen Inszenierung passen will.

Fukunagas zweiter Spielfilm lässt auf weitere schöne Werke dieses Jungregisseurs hoffen. Der deutsche Buchhandel hat auf jeden Fall in Antizipation des Films die Druckerpressen für eine x-te Neuauflage des Romans bereits angeworfen. Wer dank JANE EYRE Lust auf die Vorlage bekommt, kann ja dieses Angebot nutzen oder aber wie der Verfasser sich in naher Zukunft in die Stadtbücherei seines Vertrauens begeben... oder es sich zumindest vornehmen...











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