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INTERSTELLAR (USA 2014)

von Fabian Olbrich

Original Titel. INTERSTELLAR
Laufzeit in Minuten. 169

Regie. CHRISTOPHER NOLAN
Drehbuch. CHRISTOPHER NOLAN . JONATHAN NOLAN
Musik. HANS ZIMMER
Kamera. HOYTE VAN HOYTEMA
Schnitt. LEE SMITH
Darsteller. MATTHEW MCCONAUGHEY . ANNE HATHAWAY . MICHAEL CAINE . JESSICA CHASTAIN u.a.

Review Datum. 2014-11-06
Kinostart Deutschland. 2014-11-06

Alles Gute liegt im Kinderzimmer, in Büchern und im Mais. Das Kinderzimmer als Ort, an dem die Fantasie auf Reisen geht und die Möglichkeiten des Erlebens virtuell unbegrenzt sind. Bücher als Hort des Wissens durch den jede neue Erkenntnis, vor allem die fantastischen, gehütet und weitergegeben werden. Und der Mais – Sinnbild des amerikanischen Pioniergeistes, selbst auf kargem Boden Hoffnung säen und Erfolg ernten zu können.

Mit INTERSTELLAR legt Christopher Nolan nicht nur seinen Beitrag zum Science-Fiction-Genre vor, es ist zugleich sein bisher emotionalster Film. Schienen ihn von MEMENTO bis zur Batman-Trilogie lediglich raffiniert angedachte Erzählweisen und die Bespiegelung innerer Abgründe nach außen starker, aber innerlich zerrissener Männer zu reizen, rückt in INTERSTELLAR die Familie selbst in den Vordergrund. Mit Matthew McConaughey als Weltraumpionier bietet Nolan einen amerikanischen Helden der ersten Stunde auf, dessen Motivation es ist, zu seinen Lieben zurückzukehren.

Der frühere Nasa-Pilot, Ingenieur und nun Farmer Cooper (McConaughey) setzt in den USA der nicht allzu fernen Zukunft seinen fröhlichen Technikoptimismus lediglich noch dazu ein, um den Maisacker zu bestellen und Erntemaschinen zu programmieren. Das Problem der Menschheit von Morgen ist vor allem dieses: sie haben den Glauben an den amerikanischen Traum verloren. Die Mondlandung hat nicht stattgefunden, der Drang, neues zu Entdecken, Grenzen zu übertreten und das Unmögliche zu erreichen ist der Sicherung der bloßen Existenz gewichen. Das zumindest wird seinen Kindern Tom (Timothée Chalamet) und Murph (Mackenzie Foy) in der Schule beigebracht. Ressourcenknappheit und Nahrungsmittelengpässe lassen keinen Raum zum Träumen. Doch im Geheimen werkelt ein Nasa-Team rund um Professor Brand (Michael Caine) und dessen Tochter Amelia (Anne Hathaway) an einer Exodus-Mission, um neue Planeten jenseits unseres Sonnensystems zu kolonisieren.

Gut, dass sich hinterm Saturn ein Wurmloch aufgetan hat, durch das man (von der Unmöglichkeit durch eines zu reisen einmal abgesehen) in eine ferne Galaxie reisen kann, in der es erdähnliche Planeten gibt. Dies ist der Punkt im Drehbuch von INTERSTELLAR, ab dem die Struktur der Heldenreise bei all der folgenden visuellen Brillanz in der Gestaltung des Wurmlochs, eines schwarzen Lochs mit dem schönen Namen "Gargantua", der fremden Planeten und der Raumfahrttechnologie zu langweilen beginnt. Hans Zimmers dröhnende, wummernde, orgelhafte Ohrenbetäubung gibt den letzten Hinweis: Nolans künstlerische Schwäche bleibt die Konzession ans Mainstreamkino, mit Bombast unterhalten zu müssen. Anstatt die reizvolle Prämisse vom Widerstreit der beiden Prinzipien Kultur vs. Natur des Menschen unter der Vorgabe der Relativität von Zeit und Raum sauber zu Ende zu denken, flüchtet sich der Film in eine Variation von Standardsituationen des neueren familiengerechten Actionkinos.

Lichtblick bleibt dabei Matthew McConaughey, der die überzeugende Darstellung von Leid im Film bereits oscarprämiert (DALLAS BUYERS CLUB) auch hier unprätentiös rüberbringt. Es muss dem Texaner schon ein spaßiges Anliegen gewesen sein, einen Mann zu spielen, der in die Tiefen des Alls vordringt und dabei mit demonstrativem Südstaaten-Slang unmissverständlich seine Herkunft markiert. Seiner Heldenfigur mit dem unbedingten Willen zur Wiederkehr wird die Erkundung des "Outer Space" zugleich zu einer Erkundung des "Inner Space", der Erforschung des größten menschlichen Mysteriums: das der Liebe. Das geht da vollkommen in Ordnung, wo Nolan McConaughey machen lässt. Wirkt aber dann verschenkt, wenn der Regisseur und sein Bruder Jonathan Nolan, der hier mal wieder am Drehbuch mitwirkte, teils erklärbärig-hölzerne Dreingaben zur Lage der Dinge abspulen. An anderer Stelle werden dagegen trotz der hinzugezogenen Expertise des Physiktheoretikers Kip Thorne physikalische Gesetzmäßigkeit ignoriert und sich förmlich aufdrängende Fragen über die Beschaffenheit der fremden Planeten großzügig offengelassen.

So epochal INTERSTELLAR zunächst anmutet, so sehr schwächelt Christopher Nolan auf der Zielgeraden, wenn es darum geht, in den drei Stunden Filmlänge zu einer sinnigen Lösung zu kommen. Versöhnen kann dagegen die leicht kitschige Erkenntnis, dass es die mystisch-fantasievolle Welterfahrung des Kindesalters ist, die den Ursprung aller Weisheit im Leben bedeutet. Und dass es egal ist, ob interstellare Reisen möglich sind oder nicht, solange man sich es nur vorstellen kann.











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