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THE IDES OF MARCH - TAGE DES VERRATS (USA 2011)

von Florian Lieb

Original Titel. THE IDES OF MARCH
Laufzeit in Minuten. 101

Regie. GEORGE CLOONEY
Drehbuch. GEORGE CLOONEY . GRANT HESLOV . BEAU WILLIMON
Musik. ALEXANDRE DESPLAT
Kamera. PHEDON PAPAMICHEAL
Schnitt. STEPHEN MIRRIONE
Darsteller. RYAN GOSLING . GEORGE CLOONEY . PHILIP SEYMOUR HOFFMAN . EVAN RACHEL WOOD u.a.

Review Datum. 2011-12-06
Kinostart Deutschland. 2011-12-22

Dass Wahlkämpfe von Präsidentschaftsbewerbern unterhaltsam sein können, beweisen seit einigen Monaten die Republikaner in den USA. Da gibt es schräge Werbespots von Kandidaten, die nebenher der sexuellen Belästigung bezichtigt werden (Herman Cain). Auch texanische Gouverneure, die nach einem Wahlsieg drei Ministerien abschaffen wollen, aber sich nicht alle dieser Ministerien behalten können (Rick Perry). Und natürlich auch Ex-Gouverneure, die mit einem Bus durchs Land tingeln und Wahlkampf machen, obwohl sie sich nicht einmal haben aufstellen lassen (Sarah Palin).

Dennoch ist THE IDES OF MARCH keine Komödie, schließlich rückt George Clooney in seiner jüngsten Regiearbeit nicht die Republikaner, sondern zwei demokratische Lager in den Fokus. Die beiden vielversprechendsten Kandidaten, einer von ihnen ist George Clooneys Mike "We Like Mike" Morris, wappnen sich für eine letzte Wahl im Bundesstaat Ohio, die darüber entscheiden soll, wer sich dem republikanischen Präsidenten im Wahlkampfjahr stellen wird. Die besseren Chancen werden Morris eingeräumt, auch dank seines charismatischen Redenschreibers Stephen Meyers (Ryan Gosling).

Meyers ist jung und erfahren - eine Kombination, die es laut Bernd Stromberg sonst nur auf dem Straßenstrich gibt. Gemeinsam mit Wahlkampfmanager Paul Zara (Philip Seymour Hoffman) gilt es, das Schäfchen ins Trockene zu bringen. Helfen soll dabei Jeffrey Wrights korrupt-reaktionärer Senator Thompson mit seinen 356 Delegierten. Um den bemüht sich logischerweise auch das gegnerische Lager mit Zaras Pendant Tom Duffy (Paul Giamatti). Duffy unternimmt zudem einen Versuch, Meyers abzuwerben, der auch noch von der kessen Praktikantin Molly (Evan Rachel Woods), sowie medientechnisch von der New York Times-Journalistin Ida Horowitz (Marisa Tomei) umworben wird.

Auf 13 Oscarnominierungen und 3 Auszeichnungen bringt es Clooneys namhaftes Ensemble an Charakterdarstellern, was die Richtung seines vierten Films vorgibt. Denn schauspielerisch ist THE IDES OF MARCH über alle Zweifel erhaben. Ryan Gosling kauft man sowohl ab, dass Evan Rachel Wood mit ihm ins Bett steigt, als auch, dass er schicke Reden schreiben kann. Philip Seymour Hoffman gibt das Engelchen zu Paul Giamattis diabolischem Polit-Junkie und Clooney selbst zeigt sich zu Beginn gewohnt sympathisch, um sich erfreulicherweise nach dem ersten Akt weitestgehend aus der Handlung herauszunehmen. Auch die Nebendarsteller von Wright, über Wood und Tomei, bis hin zu minute players wie Jennifer Ehle oder Max Minghella überzeugen.

Von der Handlung selbst, einer Adaption von Beau Willimons Theaterstück "Farragut North", lässt sich das nur bedingt sagen. Zwar versucht Clooney einen Obama-Spirit zu erzeugen (inklusive an Shepard Faireys legendäres "Hope"-Plakat anknüpfende Wahlkampfposter), nur will sich der Eindruck nicht aufdrängen, dass der im Film angestrebte politische Wandel für die USA von großer Bedeutung wäre. Für Goslings Figur ist es ohnehin mehr eine Agenda von politischer Integrität und romantisch verklärtem Idealismus. Morris ist ein auf dem Papier perfekter Präsident, weswegen er nicht so sehr gewinnen soll, sondern muss, wie Meyers uns mitteilt.

Doch obschon Meyers die Hauptfigur ist, wird sie selten zur Identifikationsfigur des Publikums. Dafür fehlen ein politischer Kontext, sowie ein richtiges Gespür für die Charaktere. Diese wiederum fühlen sich selten lebendig an, eher wie Schachfiguren eines Theaterstücks (aus dem sie ja auch stammen). Sie tun etwas und sagen Dinge die eine Bedeutung transferieren sollen, an die das Publikum glauben soll, scheinbar jedoch nicht sie selbst. So ist Morris charismatisch, weil Clooney charismatisch ist. Für Paul Zara und Ida Horowitz scheint er einer von vielen zu sein - der Nächste in der Schlange. Für Meyers hingegen ist er etwas Besonderes, nur inwiefern und wieso, bleibt offen - vermutlich auch der Figur selbst.

So gesehen fehlt es THE IDES OF MARCH an Herz und damit an Leben. Der Zuschauer teilt nicht Meyers' Idealismus, weil er keinen Zugang zu dessen Innenleben hat. Die übrigen Figuren wiederum agieren lediglich insoweit, als dass sie Meyers von einem passiven in einen aktiven Zustand bewegen. Dass in der zweiten Hälfte dann auch noch ein reichlich überzogenes und angesichts der Figureneinführung zu Anfang teils unglaubwürdiges charakterliches Tabula Rasa vollzogen wird, gereicht Clooneys Film ebenso wenig zum Vorteil. Als Politkommentar in der Tradition von Michael Ritchies THE CANDIDATE versagt Clooney somit mit seiner Machtparabel.

Denn die Botschaft des Films ist wenig neu und nicht sonderlich originell aufgelegt. "Politik ist die Summe der Mittel, die nötig sind, um zur Macht zu kommen", hatte Machiavelli einst gesagt. Hierzu wird von den Betroffenen nicht gesagt, was sie denken, und nicht getan, was sie für richtig halten, sondern was nötig ist, um an der Macht zu bleiben. So agierte Robert Redford als Bill McKay in THE CANDIDATE und so agieren letztlich auch die Figuren bei Clooney. Und schon die britische Autorin George Eliot wusste, was Ryan Goslings Figur im Verlaufe des Filmes erst lernen muss: "Nichts ist so gut, wie es im voraus scheint". Letztlich trifft dies trotz der gut spielenden Charakterdarsteller auch auf THE IDES OF MARCH zu.











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