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HOWL (USA 2010)

von Björn Lahrmann

Original Titel. HOWL
Laufzeit in Minuten. 90

Regie. ROB EPSTEIN . JEFFREY FRIEDMAN
Drehbuch. ROB EPSTEIN . JEFFREY FRIEDMAN
Musik. nicht bekannt
Kamera. EDWARD LACHMAN
Schnitt. JAKE PUSHINSKY
Darsteller. JAMES FRANCO . DAVID STRATHAIRN . JON HAMM . JEFF DANIELS u.a.

Review Datum. 2010-03-03
Kinostart Deutschland. 2011-01-06

Jede Zeit im Leben hat ihre Dichter. Die Jugend Erich Fried, das Alter Robert Frost, und wenn man endlich gescheit geworden ist, sowieso nur noch Gernhardt. Allen Ginsberg konsumiert man am besten um die 20, wenn man hungrig ist oder verbergen will, wie satt man alles hat. In jedem Fall gelesen haben sollte man allerdings "Howl", Ginsbergs berühmtestes Gedicht, bevor man es sich von HOWL, dem Film, kaputt machen lässt.

Wie er das schafft? Natürlich mit größtmöglicher Materialtreue. Friedman und Epstein – beide von Hause aus Dokumentaristen, hier aber im Nachstell-Modus des History Channel unterwegs – basteln sich ihr Filmgedicht aus diversen Ginsberg-Interviews, dem Text selber sowie Gerichtsakten des Zensurprozesses von 1957 zusammen. Ein dummer, peinlicher Prozess war das, in dem zäh und borniert um elementarste literarische Freiheiten gestritten wurde wie um das letzte Stück Kuchen beim Kindergeburtstag. Schlaue Professoren treten in den Zeugenstand und sagen im Namen des Gedichts Sachen, die heute nicht einmal mehr in den Lektürehilfen von Klett zu finden wären. Unfreiwillig verdoppeln Friedman und Epstein den reaktionären Stumpfsinn des Prozesses noch, indem sie seine banalen Erkenntnisse zum hochaktuellen Mahnmal aufbauschen. Aufklärerisch leuchtfeuert das Plädoyer der Verteidigung, jederzeit mitgedacht: Englischunterricht, letzte Stunde vor den Ferien.

Die Interview-Segmente beweisen, dass Ginsberg neben klugen und sympathischen Dingen auch viel privatmystischen Quark in die Welt gesetzt hat. Sonst beweisen sie nichts. Gespielt wird der Dichter von James Franco, der seine Sache so gut macht, wie man sie abseits von Imitatorenwettbewerben halt machen kann. Zuckt Schultern, trägt Brille, spricht Bände. Wenn man bei seinem Rezitativ des Gedichts die Augen schließt, meint man sogar, tatsächlich Ginsberg zu hören, so nah bewegt sich Francos durch die Zähne rauschender Singsang am Original. Dass die Menschen in der Kneipe, wo er liest, ständig in feuchtäugiger Reverenz zu ihm hochgucken, hätte dagegen nicht sein müssen.

Das grässlichsten aber sind die Animationen. Jawohl: "Howl" goes Zeichentrick. Kometenhafte Astralkörper flitzen durch die Lüfte, engelköpfige Hipster stürzen von Hausdächern ins Nichts, und Moloch ist eine stählerne Kuh mit roten Augen. Eine wahllose Stilpanscherei aus Van Gogh, Robert Crumb und Enya-Video ist das, und dass die Computergrafiken aussehen wie von 1995, macht das ganze Unterfangen noch armseliger. (Musik gibt's auch, so Allzweck-Pianogeklimper.) Soweit bei einem Gedicht dieser Form überhaupt möglich, wird Wort für Wort sklavisch in Bilder gegossen, bis der Text sich ausnimmt wie eine Audiodeskription für Blinde. Bei Prosaverfilmungen ist sowas ja schon zum Scheitern verurteilt, bei Poesie dagegen: reinster Affront. Wer das nicht kapiert, braucht Filme wie HOWL. Sonst niemand.











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