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DIE HÖLLE - INFERNO (Österreich/Deutschland 2017)

von André Becker

Original Titel. DIE HÖLLE - INFERNO
Laufzeit in Minuten. 100

Regie. STEFAN RUZOWITZKY
Drehbuch. MARTIN AMBROSCH
Musik. MARIUS RUHLAND
Kamera. BENEDICT NEUENFELS
Schnitt. BRITTA NAHLER
Darsteller. VIOLETTA SCHURAWLOW . TOBIAS MORETTI . VERENA ALTENBERGER . FRIEDRICH VON THUN u.a.

Review Datum. 2017-01-08
Kinostart Deutschland. 2017-01-19

Genre-Filme aus Deutschland sind nach wie vor eine Seltenheit im Kinoprogramm. Auch aus dem deutschsprachigen Ausland gibt es kaum brauchbaren Nachschub. Insofern ist es eigentlich immer eine gute Nachricht, wenn sich Filmemacher mal wieder an klassischer Genre-Unterhaltung versuchen. Im Falle der österreichisch-deutschen Koproduktion DIE HÖLLE - INFERNO fällt das Ergebnis allerdings nicht wirklich berauschend aus.

Eines Abends beobachtet die taffe Wiener Taxifahrerin und Hobby-Kickboxerin Özge (überzeugend: Violetta Schurawlow) einen brutalen Mord im gegenüberliegenden Nachbarhaus. Der Killer kann entkommen und flüchtet vom Tatort noch ehe die Polizei eintrifft. Als der Mörder schließlich kaltblütig Özges Cousine tötet, wird ihr bewusst, dass sie in akuter Lebensgefahr schwebt. Hilfe erhält sie vom ermittelnden Kommissar Steiner (solide wie immer: Tobias Moretti), bei dem sie zeitweise unterschlüpfen kann. Der Mörder ist ihr jedoch dicht auf den Fersen. Özge bleibt keine andere Wahl als den Spieß umzudrehen und dem Killer zu zeigen, dass er sich mit der Falschen angelegt hat.

Regisseur Stefan Ruzowitzky hat bereits mit dem Überraschungshit ANATOMIE gezeigt das er es ganz hervorragend versteht den Vorbildern aus Hollywood nachzueifern. DIE HÖLLE - INFERNO ist ebenfalls ein Film, der klaren Genre-Motiven folgt und diese mit nur leichten Variationen in seine narrative Struktur überträgt. Irgendwo zwischen Serienkillerfilm und Actionreißer erzählt Ruzowitzky die Geschichte einer wehrhaften Frau, der gar keine andere Wahl bleibt als zurückzuschlagen. Dies ist als Prämisse für einen kompromisslosen Thriller wahrlich nicht die schlechteste Ausgangslage. Leider baut das Skript darüber hinaus aber noch zahlreiche Drama-Elemente ein, die den Film deutlich ausbremsen und deren Sozialdrama-Touch mitunter seltsam aufgesetzt rüberkommt.

Nicht nur Özges Familienverhältnisse sind reichlich zerrüttet, auch der brummige Cop hat sein Päckchen zu tragen und muss seinen dementen Vater pflegen. In der Summe ergibt das schlussendlich einfach zu viele Szenen, die das menschliche und soziale Drama rund um die Hauptpersonen in teils äußerst klischeebehafteten Situationen und Figurenkonstellationen behandeln. So erfrischend es ist, dass ein Thriller über einen Killer in Wien die multikulturellen Verflechtungen und milieuspezifischen Kontexte seiner Protagonisten aufgreift, so nachteilig wirkt sich dies für die Dramaturgie des Films selbst aus. Besonders im finalen Drittel verliert Ruzowitzky den eigentlichen Spannungstreiber (die Jagd des Mörders auf die Zeugin) zunehmend aus dem Blick.

Darüber hinaus bietet der Thriller einfach zu wenig echte Schauwerte. Abgesehen von einem Kampf zwischen Özge und dem Killer in einem Auto, der in eine wilde Raserei auf den Straßen Wiens mündet, wird hier viel zu selten so richtig auf das Gaspedal gedrückt. Es hätte dem Film sichtlich gut getan seine Hauptdarstellerin stärker und vor allem häufiger von der Leine zu lassen. Insbesondere da der Plot ihre kämpferischen Fähigkeiten geradezu heraufbeschwört und diese in einzelnen Sequenzen mehrfach andeutet.

Hinzu kommt, dass der Film das gar nicht mal so uninteressant angelegte Motiv hinter den Morden seltsam unspektakulär und fast schon auf Tatort-Niveau auflöst. Hier wäre mehr als simpler Erklärbär drin gewesen. Ferner bleibt die Figur des Serienkillers wenig greifbar. Während in den ersten Szenen eine angemessen diabolische Schreckensgestalt von abgrundtiefer Bosheit gezeichnet wird, fällt Ruzowitzky später kaum noch etwas ein um seinem Bösewicht ein wenig mehr Profilschärfe zu geben.

Mit seiner unausgegorenen Mischung aus harter Thriller-Kost und betont realitätsnahem Drama steht sich DIE HÖLLE - INFERNO immer wieder selbst im Wege. Ruzowitzky bietet für keine der beiden Ebenen ausreichend Material und schafft es nicht diesbezüglich eine harmonierende Einheit zu bilden. Die Folge ist ein selten stimmiger Großstadtkrimi, der sein durchaus vorhandenes Potential sträflich vernachlässigt und genreaffinen Zuschauern nicht mehr als ein Schulterzuckern entlocken dürfte.











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