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HIGH LIFE (USA/Deutschland/Frankreich 2018)

von André Becker

Original Titel. HIGH LIFE
Laufzeit in Minuten. 105

Regie. CLAIRE DENIS
Drehbuch. CLAIRE DENIS . JEAN-POL FARGEAU . GEOFF COX
Musik. STUART A. STAPLES
Kamera. YORICK LE SAUX . TOMASZ NAUMIUK
Schnitt. GUY LECORNE
Darsteller. ROBERT PATTINSON . JULIETTE BINOCHE . MIA GOTH . LARS EIDINGER u.a.

Review Datum. 2019-05-12
Kinostart Deutschland. 2019-05-30

Im Weltraum liegen Leben und Tod eng beieinander. Ein Dualismus wie geschaffen für das Kino. Die Beschäftigung mit den ganz großen Fragen der Menschheit hat dabei eine lange Tradition im Science-Fiction-Genre. Claire Denis steht mit HIGH LIFE insofern auf den Schultern von Riesen. Die französische Filmemacherin ist allerdings selbstbewusst genug, um einen Film mit ganz eigener Handschrift abzuliefern.

Die Geschichte umfasst mehrere Zeitebenen und wird durch die Verwendung von Rückblicken strukturiert. Zu Beginn des Films sehen wir Monte (Robert Pattinson), einen ausgezehrten, nicht mehr ganz so jungen Mann, der in den Räumen eines Raumschiffs scheinbar triviale Tätigkeiten verrichtet. Mit an Bord ist ein Kleinkind, das wie ein Fremdkörper in der seltsamen Welt des Schiffs wirkt. Seine Tochter, wie sich später herausstellen wird.

Die Kamera erforscht mit langsamen Bildkompositionen die Gänge und Räumlichkeiten der Weltraumbehausung. Die Zeit scheint dort anderen Gesetzmäßigkeiten zu folgen und so fügt auch das Drehbuch nur sehr zögerlich die einzelnen Puzzleteile der Handlung zusammen. Einst beherbergte das Schiff mehrere Personen. Allesamt Ausgestoßene der Gesellschaft. Verurteilte Kriminelle, denen die Möglichkeit gegeben wurde ihre Schuld statt im Gefängnis auf einer Weltraummission zu begleichen. Ihre Reise führt sie schließlich in die Nähe eines schwarzen Lochs. Dorthin wo angeblich eine mächtige Energiequelle zu finden ist. Doch was wartet dort wirklich auf die Besatzung? Tod, Erlösung, ein neuer Bewusstseinszustand?

Claire Denis drängt in ihrem ersten englischsprachigen Film tief in die verborgenen Sphären der Psyche ihrer Protagonisten ein. Wie so oft sind es dabei vor allem die unterdrückten Gefühle, die großes Unheil anrichten. Ein Fest für jeden Psychoanalytiker. Wo die Unfähigkeit Emotionen auszuleben, auf permanente sexuelle Anspannung trifft und eine tödliche Langeweile die Tage unendlich in die Länge zieht, scheint der große Knall vorprogrammiert.

Robert Pattinson mimt die Hauptfigur mit einer angemessenen Zurückhaltung. Sein Spiel schafft aber gerade dadurch einen ganz eigenen Kosmos der Möglichkeiten. Montes Verhalten bleibt, wie so vieles im Film, nur schwer greifbar. Mysteriös, unberechenbar und zwischen absoluter Gleichgültigkeit und großer Willensstärke pendelnd. Ein Glücksfall, dass Denis den Schauspieler für diese Rolle gewinnen konnte. In Form der Ärztin Dibs (gewohnt großartig gespielt von Juliette Binoche) fügt Denis ihrer Sicht auf die entfremdete Welt im All weitere Facetten hinzu. Dibs sucht nach einer Möglichkeit auch unter den widrigen Umständen der Mission Fortpflanzung zu ermöglichen. Eine verzweifelte Suche, die von der Ärztin teilnahmslos verrichtet wird.

Denis greift im gesamten Film auf verschiedene bedeutungsstarke Bilder zurück, die nicht selten von mal mehr, mal weniger interpretierbaren Methapern gestützt werden. Die visuelle Eleganz und Form der Umsetzung erinnern dabei streckenweise stark an die kühle Ästhetik der Werke von Jonathan Glazer (UNDER THE SKIN). Trotz der bleischweren Trostlosigkeit bewahrt der Film stets einen letzten Rest Hoffnung. Es sind gerade nicht die explosiv auftretende Gewalt oder die pervertierten Sexualtriebe, die sich durchsetzen. Das Menschsein an sich, exemplarisch dargestellt durch Monte und seine Tochter, gewinnt die Oberhand. Selbst die alles verschlingenden Kraft des schwarzen Lochs, die gegen Ende zur zentralen Metapher wird, ist hier macht- und kraftlos.

HIGH LIFE ist außerdem ein Film dessen Vielschichtigkeit nicht zuletzt ebenso durch die politische Dimension der Thematik deutlich wird. Es sind die gesellschaftlichen Outlaws deren Leben nichts mehr wert ist, auf die sich die Hoffnungen der gesamten Welt beziehen. Diese Ambivalenz gerät aber keinesfalls zum Widerspruch. Pathos und heroisierende Großtaten (a la ARMAGEDDON) sind nicht zu finden. Jede Handlung ist unausweichlich, ja schicksalhaft, dargestellt.

Clarie Denis hat ein einzigartiges SciFi-Erlebnis kreiert, das lange nachhallt. Andersartig, entrückt und voller abseitiger Schönheit. Eine Filmperle, die elegant zwischen Arthouse und Genre-Motiven oszilliert und dabei vor philosophischen Diskursen nicht zurückschreckt. Eine Entdeckung, die entsprechend gewürdigt werden sollte.











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