|
Man ist ja wohlwollend. Zumindest sitzt man im Kino und denkt: "Okay, Geldschacherei hin oder her, durch eine Spaltung in zwei Teile lässt sich ja eventuell eine kohärentere Geschichte erzählen." Dann korrodiert das metallische "Warner Bros"-Logo. Oh, Verfall. Ah, gruselig. Ja, könnte doch was werden.
Der Film beginnt mit einer Nahaufnahme Bill Nighys (was ja an sich nichts Schlechtes ist) in der Rolle von Zaubereiminister Rufus Scrimgeour, der eine pathetische Rede schwingt. Augenblicklich hat man keinen Zweifel mehr daran, warum es Voldemort (Ralph Fiennes, höchstens noch besser in BRÜGGE SEHEN... UND STERBEN?) leicht fallen wird, dieses soziale Gefüge aus dem Verborgenen heraus zu einem totalitären Kontrollstaat umzubauen: Die Grundsteine dafür sind längst gelegt. Diese gesellschaftskritische Ebene der Romane ist exzellent transportiert und erzeugt die passende Stimmung: Dumbledore (Michael Gambon, LAYER CAKE), der einzige Zauberer, den Voldemort je gefürchtet hat, ist tot. Der Magiergesellschaft wird es schlecht ergehen, und Harry Potter (Daniel Radcliffe) und seine Freunde werden bald auf der Flucht sein, zugleich darum bemüht, die in HARRY POTTER UND DER HALBBLUTPRINZ eingeführten Horcruxe zu zerstören, in denen Voldemort fragmentiert seine Seele und somit seine Unsterblichkeit gesichert hat. Dieser unheiteren Darstellung einer Eben-Nicht-Kinderbuchwelt bleibt Regiesseur David Yates wie in den beiden Vorgängerfilmen glücklicherweise treu.
Aufbruchstimmung und gleichzeitige Schwermut kommen auf, wenn die Schnitte zwischen Harry, Ron (Rupert Grint) und Hermine (Emma Watson) hin- und herspringen, wie sie sich teils mental, teils körperlich von ihrer gewohnten Umgebung verabschieden. Endlich tritt bisher schmerzlich vermisste Härte und Kompromisslosigkeit in den Bildern zu Tage, wenn Lord Voldemort eine hilflose Hogwarts-Lehrerin ermordet und an seine Haustierschlange verfüttert mit den Worten: "Nagini, Dinner." Dann die Verfolgungsjagd zwischen Harry und einer wahren Armee von Todessern, die in einem unerwarteten und willkommenen Kniff zeitweilig aus der Luft auf die Straße verlegt wird. Es folgt das versprochene Roadmovie, zu dem sich die Flucht der drei Freunde auswächst und das in Nahaufnahmen mit einem ebenso sparsamen(!) wie effektiven Einsatz der Handkamera spielt. Man ist schon versucht, aufzuspringen, mit den Fäusten auf die plüschigen Kinosesselarmlehnen zu trommeln und zu jubilieren: "Ja! Ja, verdammt! Warum nicht gleich so?" Und dennoch...
"Was machen eigentlich Menschen aus diesen Filmen, die die Bücher nicht gelesen haben? ", fragte ich einige Tage nach der Pressevorführung und hielt mich dabei für recht gewitzt. Bis ich die recht nüchterne Antwort erhielt: "Ich gehe davon aus, dass sich fünfundneunzig Prozent der Zuschauer aus der Leserschaft zusammensetzen." Da erst wurde mir das eigentliche Problem dieser Filmreihe bewusst: Dort, wo sie kreativ, originell und fesselnd sein könnte wie ihre Romanvorlage, begnügt sie sich damit, Fankino zu sein (und - das nur am Rande - viel Geld zu machen; doch riesige Plotholes kommen eben nicht von ungefähr, wenn man einen erzähltechnisch dicht vernetzten Siebenteiler auf den Filmmarkt zu schmeißen beginnt, nachdem gerade mal Buch 4 im Handel erschienen ist). Der Eindruck bleibt, dass das Hauptaugenmerk in der Machart immer darauf lag, möglichst viel "originalgetreu" aus dem Buch auf die Leinwand zu bringen, und dass die kreative Restenergie darauf ausgerichtet wurde, all das notdürftig zu kitten, was sich - oh Wunder, so was aber auch - nicht in dieses Schema pressen lassen wollte. Damit wird der Harry-Potter-Reihe wohl immer dieser fade Beigeschmack anhaften, dass sie neun Jahre lang kesselweise wirkliches filmisches Potential aus dem Fenster gekippt hat. Letztlich muss leider auch in DEATHLY HALLOWS zu oft abgespeichertes (Fan-)Leserwissen ergänzen, was der Handlungsraffung im Zuge der filmischen Aufarbeitung zum Opfer fiel.
Das fängt bei den Inkohärenzen an: Wie hat Sirius Blacks Bruder noch gleich das Horcrux aus derselben Höhle entfernt, die sogar einen Dumbledore schier zum Unterwasserzombie mutieren ließ? Wie genau wollen Harry & Co. eigentlich die restlichen Horcruxe finden (der Roman-Dumbledore listet sie tabelarisch auf, sein filmischer Gegenpart eben nicht)? Wer ist noch mal dieser komische alte Mann in Voldemorts Kerker, von dem man seit sechs Filmen weder etwas gesehen noch gehört hat? Warum stört sich keine der Figuren daran, dass plötzlich eine ganze Ladung neuer Charaktere um sie herumwuselt und ihnen (sowie dem Zuschauer) weiszumachen versucht, sie sei immer schon da gewesen?
Das geht weiter mit dem sinnlos verheizten schauspielerischen Potential: Imelda Staunton als Dolores Umbridge, Alan Rickman als Severus Snape, Jason Isaacs als Lucius Malfoy. All diese Gesichter sind willkommen, doch sie verpuffen kläglich in wenigen Sequenzen, die am Ende über die Wirkung von Cameos nicht hinausreichen. Die einzige Ausnahme bildet hierbei Helena Bonham Carter, der ein halbwegs würdiger Rahmen zur Entfaltung ihrer psychopathischen Sadistenhexe Bellatrix Lestrange gegönnt wird.
Von den drei Hauptdarstellern sticht wie gewohnt allein Emma Watson hervor: Ihr laufen nur noch in den stark emotionalen Szenen die Tränendrüsen davon, ansonsten aber spielt sie tadellos. Sie erzeugt beispielsweise einen glaubhaften Effekt der Beklemmung allein dadurch, dass sie im engen Gang des ehemaligen Phönix-Orden-Hauptquartiers festhält: "Wir sind allein..." Daniel Radcliffe gibt sich ernstlich Mühe, auch wenn seine bevorzugte Art und Weise, große Gefühle darzustellen, nach wie vor darauf hinausläuft, in steife und kantige Zuckungen zu verfallen. Und Rupert Grint... Rupert Grint.
Was bleibt zu sagen? Überraschender Höhepunkt des Films ist die Umsetzung vom Märchen der titelgebenden Heiligtümer des Todes. Die Antwort der Filmemeacher auf die große Frage, ob und wie dieses wohl auf der Leinwand umzusetzen sei, stellt sich als absoluter Volltreffer heraus: als grotesk animierte Geschichte in der Geschichte, als Mischung aus Marionettentheater und makaberer NIGHTMARE BEFORE CHRISTMAS-Optik mit der begleitenden Off-Stimme Hermines.
Der Film als Gesamtprodukt jedoch: unterhaltsam, aber stellenweise langatmig. "Nah am Buch", aber für Nichtleser faktisch zu verwirrend. Einer der besten Filme der Reihe, doch außerhalb des gehypten Harry-Potter-Universums ein durchaus fragwürdiges Mischmasch. Ach ja, eins noch: Der Schnitt zwischen Teil 1 und 2 ist logisch gewählt und daher eher wenig überraschend. Einen guten Cliffhanger zu produzieren und gleichzeitig den Eindruck zu erwecken, der Film sei in sich geschlossen, mag anspruchsvoll sein, doch unmöglich ist es nicht (es sei hier dezent auf KILL BILL: VOLUME 1 verwiesen). So lässt dieses Quasiende, das eigentlich keins ist, aber irgendwie doch, dafür allerdings immerhin mit einem recht sinnfreien letzten Spezialeffekt garniert ist... Moment, wo fing dieser Film - äh - Satz noch gleich an...?
|
|
|