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HANGING GARDEN (Japan 2005)

von Björn Eichstädt

Original Titel. KUCHU TEIEN
Laufzeit in Minuten. 113

Regie. TOSHIAKI TOYODA
Drehbuch. TOSHIAKI TOYODA
Musik. KAZUHIDE YAMAJI
Kamera. JUNICHI FUJISAWA
Schnitt. MOTOTAKA KUSAKABE
Darsteller. KYOKO KOIZUMI . ITSUJI ITAO . MASAHIRO HIROTA . MICHIYO OOKUSU u.a.

Review Datum. 2006-06-13
Kinostart Deutschland. direct-to-video

Die Überraschung liegt zunächst in den Protagonisten: Nachdem Toshiaki Toyoda in Filmen wie PORNOSTAR oder BLUE SPRING vor allem Männergesellschaften skizzierte, dringt er mit HANGING GARDEN ganz tief in die Keimzelle einer jeden Gesellschaft ein: die Familie. Aber nicht irgendeine, denn die Kyobashis, die im Zentrum der Erzählung stehen, sind die prototypische Verdrängungsmaschinerie, der lächelnde Eskapismus der Reihenhauskultur. Die kennt man irgendwoher. Nur, dass Vater, Mutter, Sohn und Tochter in einem japanischen Wohnbunker leben, nicht in der Vorgartenhölle einer deutschen Mittelkleinstadt.

Im Titel HANGING GARDEN liegt so manches begraben: Zum einen die legendären hängenden Gärten, die als eines der sieben Weltwunder der Antike galten. Und zweitens Babylon, das eben diese Gärten stolz sein Eigen nannte. In diesen beiden Symbolen erklärt sich so ziemlich alles, was Toyoda im Lauf des Films zu sagen hat: Die Familie hängt in der Luft, wie die Gärten, ihr fehlt die Erdung, die Bodenständigkeit, das Fundament, sie beginnt beim kleinsten Windhauch zu schwanken, in ihren Grundfesten erschüttert - und die Kamera folgt diesem Kippen und Drehen so intensiv, dass sich dem Zuschauer manchmal der Kopf dreht. Grund für die Orientierungslosigkeit ist eine vollkommen aus dem Ruder gelaufene Diskommunikation, die gefährlich an die sprichwörtliche babylonische Sprachverwirrung erinnert. Der Titel ist Programm.

Toshiaki Toyoda ist in seinem aktuellen Film nicht nur den Symptomen sondern auch den Ursachen für die Fehlfunktion innerhalb einer ganz normalen Familie auf der Spur. Er durchleuchtet jeden einzelnen Protagonisten bis ins kleinste Detail, findet Erklärungen für Handlungsmuster und Motivationen innerhalb eines teilweise absurden Mikrokosmos. Mehr als einmal denkt man an AMERICAN BEAUTY, der auf ganz ähnliche Weise das menschliche Gefüge innerhalb einer Familie dekonstruierte: mit umwerfendem Humor, teilweise brutaler Tragik und messerscharfer Beobachtung.

Wo in AMERICAN BEAUTY der Vater Triebfeder der beobachteten Veränderung ist, betrachtet HANGING GARDEN vor allem die Mutter: Denn ihre vermeintlich schlechte Kindheit ist das Fundament der Lüge, die Nichtreflexion Ausgangspunkt für ein Erwachsenenleben, das noch immer vom Kindheits-Ich geprägt ist. Selbstschutz und Kalkulation sind für das weibliche Oberhaupt der Kyobashis die Alternativen zu Liebe und Leben. Dass das auf Dauer nicht gutgehen kann ist klar, doch nur ein harter, teilweise sogar extrem blutroter Kampf, der nur durch die Angst vor noch größerem Verlust erfolgreich ausgefochten werden kann, bringt die Familie am Ende wieder einander näher. So endet dieser fantastische Film mit einem Moment voller Hoffnung, der zeigt, dass selbst die verfahrendsten Situation in den Griff zu bekommen sind. Und: Dass Toshiaki Toyoda inzwischen ein formvollendeter Meister ist, von dem man in Zukunft hoffentlich noch viel zu sehen bekommt.











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