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GENTLEMEN BRONCOS (USA 2009)

von Björn Lahrmann

Original Titel. GENTLEMEN BRONCOS
Laufzeit in Minuten. 90

Regie. JARED HESS
Drehbuch. JARED HESS . JERUSHA HESS
Musik. DAVID WINGO
Kamera. MUNN POWELL
Schnitt. YUKA RUELL
Darsteller. MICHAEL ANGARANO . JEMAINE CLEMENT . HALLEY FEIFFER . JENNIFER COOLIDGE u.a.

Review Datum. 2010-02-11
Kinostart Deutschland. 2010-05-27

Spannend ist der Erstkontakt mit Filmemachern, von denen man bislang nichts kennt als die Vorurteile, mit denen ihrer Arbeit üblicherweise begegnet wird. Jared Hess (NAPOLEON DYNAMITE, NACHO LIBRE) ist so ein Fall. Konsens-Check: Das ist doch der zynische Drecksack, der immer nur deprimierende Freaks besetzt, um sich auf ihre Kosten lustig zu machen. Deutlich zynischer als Hess, schwant mir jedoch nach, äh, Genuss seines jüngsten Films, sind die, die beim Lachen automatisch nur Böses denken. GENTLEMEN BRONCOS quillt über vor jener angenehmen Sorte Mitgefühl, die weiß, dass wattiertes Hätscheln ein ebenso übles Zeichen von Bevormundung ist wie offener Spott und Hohn. Ergo: Immer druff mit dem Zoom auf die schlechten Zähne!

Verquerer noch als sein physiognomisch auffälliges Casting ist ohnehin das Milieu, das Hess zu schildern erkoren hat. Liebhaber und Nachwuchstalente im Bereich der Groschen-Science-Fiction finden in der amerikanischen Provinz zu einem Schreibworkshop zusammen, unter ihnen Benjamin (Michael Angarano), dessen Idol Roland Chevalier (Jemaine Clement) Stargast und Haupt-Juror der Veranstaltung ist. Einen empfindlichen Dämpfer erleidet Benjamins Fanbegeisterung, als Chevalier in einem Figurennamen-Seminar verkündet, im Sci-Fi habe alles und jeder auf -anous zu enden; Bens eigener Held heißt nämlich schlicht Bronco (Sam Rockwell) und muss sich in himbeerfarbenen Star-Trek-Landezonenwelten mit Hefeschmugglern und Raketenhirschen herumplagen. Als Chevalier heimlich Benjamins Idee stibitzt und zugleich ein Team von Hinterhof-Amateurfilmern sein Werk zu verhackstücken droht, fangen die Leiden des Kreativen für ihn erst richtig an.

Sofern man als Nerd jemanden bezeichnet, der angeblich Unwichtigem in seinem Leben überproportionales Gewicht zuweist, dann ist Jared Hess – auch dies ein oft kolportiertes Vorurteil – ein archetypischer Nerd-Regisseur. GENTLEMEN BRONCOS versammelt wie unter einem Brennglas all das, was im menschlichen Umgang gemeinhin als klein, elend, peinlich oder mindestens nutzlos gilt: Kindische Fantasie und spinnerte Träume, unpassende Gefühle und schlechtes Handwerk. Humor, wenn auch meist schwer abseitiger Sorte, entsteht dort, wo Figuren sich ihren komischen Obsessionen völlig weltvergessen hingeben – etwa Benjamins Mutter, die furchtbar hässliche Nachthemden designt und nebenbei im Eigenbetrieb Popcornbälle fertigt. Tragik hingegen stellt sich ein, wenn Träume auf ganzer Linie scheitern und dabei nicht einmal den Anstand besitzen, dies mit lautem Knall zu tun.

Hess ist seinen Figuren dabei dezidiert kein Gott, weder ein rettender noch ein strafender, sondern bloß ein hilfloser Zuschauer ihrer Erbärmlichkeiten, denen er mit bedingungsloser Sympathie beisteht. Die Götter sind in seinem Film vielmehr diejenigen, gegen die Benjamin und Co. chancenlos anrennen, durch deren Normterror sie zu Nerds überhaupt erst marginalisiert werden – und die in Wahrheit nicht minder einsam und feige sind als jene, über denen sie zu thronen meinen. Insbesondere auf Chevalier trifft das zu, ein blasierter Platzhirsch mit Überbiss, den Jemaine Clement in einer grandiosen Arschloch-Performance zur Hauptattraktion des Films macht. Recht blass bleibt dagegen leider Benjamin, den als Protagonist eine allzu passive Eigenschaftslosigkeit auszeichnet und dem auch Michael Angarano, mit Ausnahme seiner großen Untertelleraugen, nichts hinzuzufügen hat.

Dass im Marketingzentrum des Films die sporadisch eingefügten Bronco-Sequenzen stehen, ist nur recht und billig, wenngleich ihre psychedelische Pappmaché-Skurrilität zuweilen arg kalkuliert erscheint. Zudem wirkt Hess' eigenwilliger, mit Pokerface am Rand der Verzweiflung entlangschliddernder Humor im Alltagskontext noch einmal deutlich verstörender – ein Humor, bei dem Fäkales und Feinsinniges eine seltsame Bindung eingehen, wo Küsse mit Kotze am Mund anrührend sein dürfen und man sich bei "Wind of Change" der triumphalen Gänsehaut kaum erwehren kann. Hess ist mit Sicherheit ein gewöhnungsbedürftiger Filmemacher; wahrscheinlich sogar einer, bei dem grundsätzlich mehr Bedürftigkeit als Gewöhnung im Publikum herrscht. Dass er es mit GENTLEMEN BRONCOS zutiefst ernst meint, kann man ihm aber beileibe nicht absprechen.











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