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FRANK ist ein urkomischer, aber zugleich auch tieftrauriger Film. Mit viel Liebe zum Detail und dem richtigen Gespür für subtile Zwischentöne erzählt Regisseur Lenny Abrahamson von genialen Musikern, psychischen Ausnahmesituationen und großen Ambitionen, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt sind. Vage Grundlage der Tragikomödie bildet die von dem Ausnahmetalent Chris Sievey dargestellte Kunstfigur Frank Sidebottom.
Das Leben von Jon (Domhnall Gleeson) könnte aufregender sein. Tagsüber versauert der Musikliebhaber in einem öden Bürojob, in seiner Freizeit feilt der Jungspund mehr schlecht als recht an eigenen Songs. Als Jon durch Zufall das Angebot erhält Mitglied der experimentellen Indie-Band Soronprfbs zu werden, zögert er nicht lange und bricht alle Zelte in seiner provinziellen Heimatstadt ab. Nach der ersten Begeisterung folgt jedoch schnell die Ernüchterung. Statt ausgiebiger Touren stehen erst einmal die Aufnahmen des neuen Albums auf dem Plan. Zudem sind die einzelnen Bandmitglieder keine leicht zugänglichen Zeitgenossen. Frontmann Frank (Michael Fassbender) trägt permanent einen Kopf aus Pappmaschee, den er selbst unter der Dusche nicht abnimmt. Die extrem störrische Clara, eine weitere treibende Kraft innerhalb der Band, macht wiederum von Anfang an keinen Hehl daraus, dass sie den jungen Nachwuchs eigentlich gar nicht dabei haben will und ihn als Störfaktor ansieht. Trotz seiner verschrobenen Bandkollegen und der mitunter äußerst seltsamen Aufnahmesessions, die oftmals in absurde Spontanaktionen zur Kreativitätssteigerung abdriften, findet Jon bald Gefallen an seinem neuen Alltag. Als er anfängt heimlich die Arbeiten an dem Album zu filmen und ins Netz zu stellen, flattert kurze Zeit später eine Einladung zu einem großen Festival ins Haus. Die Reise zum Festivalort wird allerdings zu einer harten Belastungsprobe, denn nicht alle Mitglieder teilen Jons Wunsch, die Musik einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Insbesondere Frank droht an seiner Rolle zu zerbrechen und zieht sich immer mehr zurück.
Abrahamson widmet nicht nur der Charakterentwicklung seiner Hauptfiguren Jon und Frank viel Zeit, sondern richtet seine Aufmerksamkeit ebenfalls auf die von Maggie Gyllenhaal großartig gespielte exzentrische Clara. Im Zentrum des Films steht deshalb auch primär der Mikrokosmos der Band selbst. Die Reibereichen, Eifersüchteleien und vor allem der kreative Prozess der Aufnahmen geht der Regisseur in erster Linie verspielt-humorvoll an. Das sorgt für hinreißend skurrile Momente, die teils aberwitzige Ausmaße annehmen. Platz für dramatische Einschübe ist trotzdem. Dem klugen Drehbuch, dass unnötigen Zuckerguss partout vermeidet ist es zu verdanken, dass diese Szenen nie bemüht wirken und im Rahmen der Geschehnisse sinnhaft bleiben.
FRANK ist darüber hinaus auch ein Film über die Entstehung von Hypes im Social-Media-Zeitalter. Diesbezüglich setzt Abrahamson auf eine pointierte Zeitgeistbeobachtung, die fast gänzlich ohne kritische Betrachtungen auskommt, nichtsdestotrotz aber sehr treffsicher darstellt, welche Relevanz die zunehmende Digitalisierung für die Popkultur und die Auseinandersetzung mit sperriger Nischenmusik hat. Rein schauspielerisch gesehen ist der Film sowieso ganz großes Kino. Fassbender (der nur in wenigen Szenen ohne den Pappmascheekopf zu sehen ist) und Gyllenhaal sind großartig wie immer, unbedingt erwähnenswert ist ebenso Domhnall Gleeson (EX MACHINA), der die Gefühlswelt seiner Figur mit all ihren Sehnsüchten und Unsicherheiten sehr lebhaft rüberbringt und voll überzeugen kann.
Vorwerfen lässt sich der Tragikomödie, dass die Konflikte im letzten Drittel zum Teil zu ruckartig angebahnt werden und der Film daher dramaturgisch ein wenig aus dem Rhythmus kommt. Insgesamt überwiegt aber der positive Gesamteindruck. FRANK gelingt das Kunststück stets den richtigen Tonfall zu treffen und seine Geschichte humorvoll und berührend bis zum konsequenten Schluss auszuerzählen. Dass es der Festivalliebling außerdem schafft die psychischen Störungen, die schlussendlich nicht ausschließlich Frank auszeichnen, niemals zu verklären oder ins positive umzudeuten, sondern sie als das zeigt, was sie wirklich für den betroffenen Mensch mit aller Härte bedeuten ist ein weiterer Pluspunkt, der den Film von ähnlich gelagerten Musikerportraits angenehm unterscheidet.
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