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DIE ENTFÜHRUNG DER U-BAHN PELHAM 1 2 3 (USA 2009)

von Hasko Baumann

Original Titel. THE TAKING OF PELHAM 1 2 3
Laufzeit in Minuten. 106

Regie. TONY SCOTT
Drehbuch. BRIAN HELGELAND
Musik. HARRY GREGSON-WILLIAMS
Kamera. TOBIAS SCHLIESSLER
Schnitt. CHRIS LEBENZON
Darsteller. DENZEL WASHINGTON . JOHN TRAVOLTA . JOHN TURTURRO . JAMES GANDOLFINI u.a.

Review Datum. 2009-07-11
Kinostart Deutschland. 2009-09-24

Es gibt ja Remakes, bei deren Ankündigung allein man schon vor Schreck die Gabel ins Essen fallen läßt. Es gibt aber auch solche, die sich eines zeitlosen Genrestoffs annehmen, den man ruhig mal ins Heute transportieren kann, ohne damit automatisch das geliebte Original mit Füssen zu treten. Tony Scotts Update von THE TAKING OF PELHAM 1 2 3 ist so ein Fall. Joseph Sargents gleichnamiger Film aus dem Jahre 1974 war und ist ein Top-Thriller, der mit Walter Matthau als New Yorker Verkehrsnetz-Cop und Robert Shaw als brutalem U-Bahn-Entführer zwei grandiose Schwergewichte aufeinander treffen ließ. Damals ein Riesenhit in Großstädten mit Untergrundsystem (New York, Toronto, London, Paris) und eine kommerzielle Enttäuschung im Rest der Welt, darf sich PELHAM 1 2 3 heute über den verdienten Status eines Klassikers freuen. Autor Brian Helgeland und Regisseur Tony Scott wissen das und zollen in ihrem Remake dem Original sehr liebevoll Tribut: So heißt etwa Denzel Washington in der Matthau-Rolle nicht mehr Zachary Garber, sondern Walter, und trägt ein gelbes Hemd mit karierter Krawatte (bei Matthau war es 1974 umgekehrt), während John Travolta sich den Namen "Ryder" gibt - Robert Shaw gab sich als "Mr. Green" aus, hieß aber tatsächlich Ryder. Das macht Freude und zeigt das hehre Ansinnen der Filmemacher.

Die Grundidee des Films, erneut der Romanvorlage John Godeys entnommen, bleibt gleich: Mit drei Komplizen entführt ein skurpelloser Gangster (Travolta) eine U-Bahn der 6er Linie in Manhattan, koppelt sich mit einem Waggon ab und bleibt in der Nähe der Lexington Avenue stehen. In der Zentrale sitzt dieses Mal kein Cop, sondern ein Fahrdienstleiter (Washington), der unfreiwillig zum Gesprächs- und Verhandlungspartner des Geiselnehmers wird. Eine Stunde bleibt der Stadt New York, um der Forderung nach 10 Millionen Dollar Lösegeld nachzukommen. Und wie sich von Anfang an herausstellt, hat sich Tony Scott die legitime Aufgabe gestellt, einen zeitgenössischen Thriller aus dem Stoff zu machen. Das bedeutet, daß man neben dem psychologischen Vexierspiel der Antagonisten auch sich überschlagende Autos und Motorräder sowie blutige Schußwunden zu sehen bekommt. Das bedeutet auch, daß man sich einem Bild- und Schnittgewitter ausgesetzt sieht, wie es heutzutage eben nun mal Pflicht zu sein scheint, will man den Zuschauer der Gegenwart, dem offenbar die Aufmerksamkeitsspanne einer Mücke unterstellt wird, bei der Stange halten. Da aber Tony Scott, der hier wieder mal alle denkbaren visuellen Gimmick-Register zieht, ein Meister dieser Art von Bildsprache ist und mit Tobias Schliessler (Kamera) und Chris Lebenzon (Schnitt) absolut fähige Mitstreiter an seiner Seite hat, funktioniert das auch: Allein schon der Vorspann mit seinen Flash Cuts, Speed Changes, den bewegten Credits und Jay-Z's "99 Problems" zeigt, daß hier Könner am Werk sind.

Scott beschwört dabei ein grimmiges, vibrierendes, gefährliches New York als den Moloch herauf, den es so schon längst nicht mehr gibt. Es ist wohl eher das New York, an das sich die Gangster noch aus ihrer Zeit vor dem Knast erinnern. Das macht PELHAM 1 2 3 auf seine Weise zum schönsten - und aufwendigsten - New York-Film seit langem. James Gandolfini als Bürgermeister und John Turturro als Verhandlungsexperte passen dabei wunderbar in dieses nostalgische Bild einer einst so wilden Stadt. Washington und Travolta sind in den Hauptrollen solide, wirken aber nicht ideal besetzt. Beide hat man so schon oft gesehen, beide könnten auch die Rolle des jeweils anderen spielen. Ein etwas überraschenderes Casting hätte hier für zusätzliche Spannung sorgen können, wie auch die gründlicherere Herausarbeitung des Themas Internet und der damit verbundenen unaufhaltsamen Verbreitung von News und Informationen - die Unmöglichkeit der Geheimhaltung des Geschehens wird hier nur am Rande thematisiert. So bleibt immerhin ein straffer, knalliger Thriller ohne Durchhänger, der ganz einfach ausgezeichnete Unterhaltung bietet.

Leider, leider können sich aber Scott und Helgeland den bösen Sülz nicht verkneifen, und so gibt es nicht nur überflüssige Telefonate zwischen Garber und seiner Frau zu Harry Gregson-Williams mal wieder abscheulicher Musik, sondern auch ein aufgepropftes Schuld-und-Sühne-Quid-pro-Quo zwischen Garber und Ryder, das im großen Finale seinen unerträglichen "Ich habe Dir ein Leben gegeben"-Tiefpunkt findet. Und danach weiß der Film - wie so oft heutzutage - überhaupt nicht, wann Schluß ist. So muß man es dann doch nochmal sagen: Keine noch so teuer arrangierte, tosend laut orchestrierte Verfolgungsjagd mit eingebauter Erlösung für den Helden kann den unvergleichlichen Blick in Walter Matthaus Knautschgesicht ersetzen, wenn er nach dem verräterischen Nieser durch Martin Balsams Tür schaut. Sign o' the times.











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