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EMELIE (USA 2015)

von André Becker

Original Titel. EMELIE
Laufzeit in Minuten. 83

Regie. MICHAEL THELIN
Drehbuch. RICH HERBECK . HARRY HERBECK . MICHAEL THELIN
Musik. PHIL MOSSMAN
Kamera. LUCA DEL PUPPO
Schnitt. ERIC NAGY
Darsteller. SARAH BOLGER . JOSHUA RUSH . CHRIS BEETEM . SUSAN POURFAR u.a.

Review Datum. 2016-07-10
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

Babysitter geraten im Horror-Genre gerne unweigerlich ins Visier irrer Meuchelmörder. Bereits 1971 musste z.B. Hauptdarstellerin Susan George in dem frühen Slasher-Vorläufer DIE FRATZE gegen einen Psychopathen ankämpfen. Weitaus seltener sind sie selbst die Bedrohung und Wurzel allen Übels, etwa in William Friedkins Rückkehr ins Horror-Genre DAS KINDERMÄDCHEN. Der auf verschiedenen Filmfestivals recht wohlwollend aufgenommene EMELIE von Michael Thelin wählt erfreulicherweise das weniger übliche Szenario und präsentiert sich als reduziert angelegter Psychothriller, bei dem das Böse in Form einer hübschen, aber eiskalten jungen Frau auftritt, die das Leben einer Vorzeigefamilie in nur einer Nacht an den Rand des Zerfalls manövriert. Wer hier jetzt allerdings Nonstop Suspense und nervenzerfetzende Spannung zum Nägelabknabbern erwartet wird schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt.

Alles beginnt damit das die Eheleute Thompson einen romantischen Abend zu zweit verbringen wollen. Dem Candlelight-Dinner steht im Prinzip nichts mehr im Wege, denn die Kinder wissen Bescheid und eine Babysitterin ist auch schon gefunden. Was die beiden Erwachsenen nicht wissen: Die junge Dame mit Namen Anna ist gar keine richtige Babysitterin. Angetrieben von einem finsteren Plan hat sie sich den Job durch eine perfide Aktion geangelt. Im Haus der Thompsons angekommen beginnt sie ihren Plan schrittweise in die Tat umzusetzen. Nicht gerechnet hat sie dabei mit dem ausgefuchsten Sohn Jacob, der ihr hinterlistiges Spiel schnell durchschaut hat und nichts unversucht lässt seine jüngere Schwester mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zu beschützen.

EMELIE gelingt es anfangs noch sehr gut eine Stimmung der permanenten Anspannung zu etablieren. Man weiß zwar fix, dass mit der Babysitterin irgendetwas nicht stimmt, aber das Drehbuch gibt dem Publikum zunächst noch ausreichend Raum für verschiedenartige Spekulationen. Dies resultiert auch daraus, dass die Produktion das Erklärbär-Level gering hält und die Motivation ihrer Hauptfigur halbwegs glaubhaft in wenigen Flashbacks aufrollt. Zudem sind die Psychospielchen die, ruckzuck nachdem Anna (die eigentlich Emelie heißt) mit den Kids alleine ist, beginnen der unheilvollen Atmosphäre des Films sehr zuträglich. Durch die nüchterne Art der Inszenierung wird auf sehr ruhige und zurückhaltende Weise ein Bedrohungsszenario geschaffen, das gerade durch die vielen potentiellen Optionen, in welche Richtung die Lage eskalieren kann, sehr effektiv mit den Erwartungen seiner Rezipienten spielt.

Nach gut der Hälfte der (sehr kurzen) Laufzeit tritt der Psychothriller jedoch plötzlich auf der Stelle. Dass die Produktion reichlich vorhersehbar offenlegt, was Emelie wirklich vorhat ist gar nicht mal das größte Problem. Viel problematischer ist, dass keine echte Spannung mehr aufkommen mag und es dem Film schlicht an kreativen Ideen fehlt. Jacobs Fluchtversuche sind beispielsweise kaum mitreißend und nur sehr bedingt dazu geeignet den Puls des Publikums in die Höhe schnellen zu lassen. Auch das Setting wird nur unzureichend eingebunden. Die zahlreichen Versteckmöglichkeiten des Hauses bleiben nämlich fast komplett ungenutzt. Echte Gegenwehr fehlt sowieso, was zwar nicht unbedingt logisch gewesen wäre (immerhin sind die Hauptprotagonisten körperlich weit unterlegen), dem Film aber möglicherweise mehr Tempo verliehen hätte.

So oder so dümpelt der, in jeder Hinsicht blutleere, Psychothriller bis zum plötzlichen Ende komplett lahm und höhepunktlos vor sich hin. Selbst das Finale verläuft unbefriedigend und kann angesichts der fehlenden dramaturgischen Zuspitzung nicht überzeugen. Richtig ärgerlich ist allerdings, dass der Film Elemente zur Spannungssteigerung einbaut, sie aber seltsam lustlos runterleiert. Als irgendwann eine Freundin der Familie auftaucht (die selbstverständlich aus dem Weg geräumt werden muss) hat man noch die Hoffnung, dass EMELIE endlich ein wenig mehr Drive bekommt. Wie der Störfaktor beseitigt wird ist dann leider dermaßen öde, dass man sich vor Verwunderung (und Müdigkeit) nur die Augen reiben kann.

EMELIE ist deshalb ein ziemlicher Reinfall. Hier wäre mehr, viel mehr drin gewesen. Auch weil die irische Hauptdarstellerin Sarah Bolger (THE LAZARUS EFFECT) beängstigend gut performt und durchaus als Optimalbesetzung eingestuft werden kann. Und rein handwerklich (Schnitt, Kamera, Musik) betrachtet ist der Film ebenfalls recht solide. Das Alles hilft aber nichts, wenn man nach dem gelungenen Einstieg als Zuschauer auf Distanz bleibt und sich aufgrund der fehlenden Spannungsdramaturgie und dem Mangel an Kreativität unweigerlich Langeweile breit macht. Insbesondere genrekundige Zuschauer werden dem Psychothriller daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kaum etwas abgewinnen können. Die guten Kritiken, die der Film zum Teil einheimsen konnte sind jedenfalls nicht wirklich nachzuvollziehen.











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