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DER DUNKLE TURM (USA 2017)

von Andreas Günther

Original Titel. THE DARK TOWER
Laufzeit in Minuten. 95

Regie. NIKOLAJ ARCEL
Drehbuch. AKIVA GOLDSMAN . JEFF PINKNER . ANDERS THOMAS JENSEN . NIKOLAJ ARCEL
Musik. JUNKIE XL
Kamera. RASMUS VIDEBAEK
Schnitt. ALAN EDWARD BELL
Darsteller. MATTHEW MCCONAUGHEY . IDRIS ELBA . TOM TAYLOR . DENNIS HAYSBERT u.a.

Review Datum. 2017-08-13
Kinostart Deutschland. 2017-08-10

In einem neuen Vorwort zum ersten Band seines Zyklus "Der dunkle Turm" beklagt sich Stephen King darüber, dass ausgerechnet dieser Teil seines Werks, der ihm so am Herzen liegt, bislang vergleichsweise wenige Leser gefunden hat. Ob sich das mit der Verfilmung DER DUNKLE TURM ändert, bleibt abzuwarten. Selbstverständlich wäre das nicht. Der Film bleibt zwar der Ausgangslage der Geschichtensammlung einigermaßen treu, geht im Übrigen jedoch eigene Wege. Nicht zuletzt weil er Elemente anderer, erfolgreicherer Stoffe von Stephen King aufgreift, ist daraus ein rundum gelungenes und fesselndes Fantasy-Abenteuer geworden.

Kleinere und mittelgroße Erdbeben erschüttern seit einiger Zeit New York. Jake Chambers (Tom Taylor), ein Junge aus Brooklyn, weiß warum. Er alpträumt von einem fernen Planeten, der Mittelwelt, auf dem Androiden mit menschlichen Gesichtern die übersinnlichen Kräfte von Kindern missbrauchen, um einen hoch aufragenden, dunklen Turm zu vernichten. Die Energie, die dabei eingesetzt wird, schüttelt das ganze Universum durch. Die Befehle gibt Walter, der "Mann in Schwarz" (Matthew McConaughey). An seine Fersen geheftet hat sich Roland, der "Revolvermann" (Idris Elba), letzter seiner Art, der den dunklen Turm noch schützt. Die verschiedenen Welten kommen miteinander in Kontakt, als Jake, angeleitet von den Zeichnungen, die er aus seinen Alpträumen generiert, eine Transferstation von der Erde zur Mittelwelt entdeckt und Roland trifft. Gemeinsam machen sie Jagd auf Walter, der sich seinerseits auf die Suche nach Jake begibt, weil auch dieser übersinnliche Kräfte besitzt, die er ausbeuten will.

Roland und Walter spielen schon in der Vorlage die Rolle wichtiger Antagonisten. Aber Jake erhält im Film den meisten Raum, wird zum Ankerpunkt der Adaption. Hoch begabt, mit einem für ihn selbst unheimlichen Antizipationsvermögen ausgestattet, introvertiert und unverstanden von seiner Umgebung, ja in psychiatrischer Behandlung wegen seiner vermeintlichen Wahnvorstellungen entspricht Jake ganz den Kindergestalten von Fantasy- und Schauerliteratur. Es ist wie eine Verbeugung vor einem ihrer großen Meister und ein verblüffendes Entgegenkommen der Natur, dass mit Tom Taylor ein Darsteller für Jake gefunden worden ist, der mit seiner Kopfform und Augenpartie ein jüngeres Selbst von Stephen King sein könnte.

Auch Thematik und Motivik sind alles andere als unbekannt. Es ist nicht verkehrt, von Gemeinplätzen zu sprechen. Dämonen bedrohen das Universum. Sie finden Eingang in die Seelen aller Menschen, die Böses tun. Die Gegenkräfte des Guten sind unterdrückt und marginalisiert. Solange aber der dunkle Turm steht, können die Dämonen nicht an die Macht gelangen. Die Übertritte in andere Welten führen durch feuerumtoste Tore. Menschen aus der Vergangenheit - wie Jakes toter Vater - treten als Verführungen der Dämonen auf. Und so weiter, und so weiter.

Trotzdem erzeugt DER DUNKLE TURM zuverlässig Gänsehaut, und das nicht nur, wenn die Androiden mit den falschen Gesichtern sich als Seelenklempner ausgeben und Jake in eine nette Klinik bringen wollen. Der Grund dürfte sein, dass die Macher erprobte Formeln aus Horror und Fantasy perfekt mit einer eigenen, ebenso schlichten wie effektiven Grundstruktur reproduzieren. Spiritualität und Spektakel verschmelzen furios. Der metaphysische Kampf zwischen Gut und Böse durchdringt sämtliche Schichten und spiegelt sich in allen Einzelheiten des Films. Während manche Superheldenepen über weite Strecken nur Skizze bleiben, formuliert DER DUNKLE TURM seine Geschichte visuell vollständig aus. Action und kleine Dosen Humor sind fein proportioniert. Keine einzige Dialogzeile geht fehl. Nichts geschieht ohne Motivation. Die Fehlbarkeit des Menschen hat dabei den Platz, der die Tragik der Gattung ausmacht. Jakes Stiefvater will den Jungen unbedingt in eine Klinik abschieben, um mit Jakes Mutter allein zu sein, ohne ahnen zu können, dass er damit den Dämonen Tür und Tor öffnet. Unterhaltungskino bewährt sich als wuchtige Warnung vor den Folgen vermeintlich lässlicher Bösartigkeiten.

Dabei imponiert DER DUNKLE TURM mit einem liberalen Geist, den die Gegenwart gut brauchen kann. Stärker als die Vorlage ist der Film mit Anklängen an den amerikanischen Bürgerkrieg aufgeladen. Der vom kräftigen und hochgewachsenen Afroamerikaner Idris Elba gespielte Revolvermann Roland ist selbst so etwas wie ein dunkler Turm, wenn er sich den Dämonen entgegenstellt. Mit seinen Revolvern aus der Zeit des Bürgerkriegs, die sich fast magisch neu nachladen lassen, ist er zugleich Abgesandter der Vergangenheit und Angehöriger einer überzeitlichen Sphäre, selbstbewusster Streiter in einem unendlichen Kampf, der dennoch klare historische Wurzeln hat und Amerika immer noch prägt. Die allmählich sich entwickelnde Freundschaft zwischen dem Afroamerikaner und dem weißen Jungen ist in ihrer Ausgewogenheit erfreulich weit entfernt von den üblichen Klischees. Dass der Junge ganz und gar kein Waffennarr wird, auch wenn er dem Revolvermann bei der Rezitation seines Mantras hilft, ist ein sympathischer Zug, den der europäische Zuschauer zu schätzen weiß.











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