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DEATH SENTENCE (USA 2007)

von Hasko Baumann

Original Titel. DEATH SENTENCE
Laufzeit in Minuten. 105

Regie. JAMES WAN
Drehbuch. IAN JEFFERS
Musik. CHARLIE CLOUSER
Kamera. JOHN R. LEONETTI
Schnitt. MICHAEL N. KNUE
Darsteller. KEVIN BACON . KELLY PRESTON . JOHN GOODMAN . GARRETT HEDLUND u.a.

Review Datum. 2007-08-02
Kinostart Deutschland. 2007-09-13

Ein Mann sieht rot. DEATH SENTENCE basiert auf einem Roman von Brian Garfield. Garfield wurde in den 70er Jahren berühmt als geistiger Vater von Paul Kersey, im Kino in der Gestalt von Charles Bronson zweifelhafter Held von fünf DEATH WISH-Filmen. "Death Sentence" war Garfields eigene Fortsetzung seines Selbstjustiz-Bestsellers, die die Geschichte von Kersey weiter erzählte. Damit hat James Wans neuer Film nichts zu tun. Vielmehr hat man anfangs das Gefühl, der gute alte DEATH WISH habe ein Remake erfahren.

Kevin Bacon muß als Geschäftsmann und Familienvater Nicholas Hume den gewaltsamen Tod seines Sohnes mit ansehen. Der Junge wird Opfer eines Initiationsritus - sein Mörder beweist sich mit dem Abschlachten des Teenagers als würdig, in eine Gang einzutreten. Als Hume vor der Gerichtsverhandlung begreifen muß, daß der Mann, der ihm seinen Sohn nahm, keinesfalls lebenslang hinter Gittern verschwinden wird, widerruft er seine Aussage und nimmt den Freispruch in Kauf. Enttäuscht vom System will er sich mittels Selbstjustiz Gerechtigkeit verschaffen.

Anders als Bronsons Paul Kersey, der sich in DEATH WISH mit der wahllosen Tötung von Kriminellen zum Volkshelden hochballerte, sieht sich Bacons Everyman umgehend mit den Konsequenzen seines Tuns konfrontiert. Was die Polizei nicht begreift, finden die restlichen Gangmitglieder schnell heraus und suchen ihrerseits Rache. James Wan läßt keinen Zweifel daran, daß seine Hauptfigur selbst verantwortlich ist für die Hölle aus Gewalt, die nun über ihn und seine Familie hereinbricht - "Look what I made you", sagt der Gangleader einmal zu Hume. Für einen Film heutiger Zeit wird der Strudel, in den Hume sich selbst manövriert, mit erstaunlicher Konsequenz und Gnadenlosigkeit erzählt. Wan hat sein Versprechen gehalten, das Gefühl harter Reißer der 70er und 80er wiederzuerwecken.

Leider wollte der durchaus talentierte Wan aber auch seine SAW-Fangemeinde zufriedenstellen, und so werden durchaus vorhandene Ambivalenzen von allzuviel Action-Gepose unterminiert. Subtilität ist Wans Sache nicht - die anfänglichen Szenen des Familienglücks geraten, wie unglücklicherweise auch jene der Trauer, unfreiwillig komisch. Die erste Konfrontation Humes mit der Gang gipfelt in einer Rangelei auf dem Dach eines Parkhauses, deren fataler Ausgang zwar bei der Pressevorführung zu Recht mit Szenenapplaus bedacht wurde, aber auch sehr deutlich macht, daß es hier eher in Richtung KLASSE VON 1984 als STRAW DOGS geht. Wenn es Wan dann doch einmal gelingt, durch einen starken Moment für völlige Stille im Kinosaal zu sorgen, traut er dem Frieden nicht und haut einem seine Lieblingssongs um die Ohren. Und Wan hat einen sehr schlechten Musikgeschmack. Auch Ex-Nine Inch Nail Charlie Clouser bekleckert sich nicht mit Ruhm - erst sülzt er rum, dann macht er mit harten Riffs Druck, wo es keinen braucht.

Kevin Bacon ist schlicht fehlbesetzt in der Hauptrolle - bei dem Mann erwartet man sowieso, daß er entweder ein paar Leichen im Keller hat oder demnächst durchknallt. Für diese Rolle wäre Dennis Quaid oder Harrison Ford interessant gewesen. Als Durchschnittstyp und liebender Vater kriegt Bacon auch die ersten Szenen nicht in den Griff. Mit zunehemendem körperlichen und psychischem Verfall Humes jedoch holt er wieder auf - und wenn er schließlich mit rasiertem, frisch vernarbtem Schädel, ganz in schwarz gekleidet und bleich wie ein lebender Toter seinen finalen Rachefeldzug antritt, sind das Bilder, die man nie vergißt.

DEATH SENTENCE ist keine wirklich ernstzunehmende Auseinandersetzung mit den Mechanismen urbaner Gewalt, aber er ist ein druckvoller, kompromißloser und mitunter spannender Reißer, der sich bis auf John Goodmans grandiose Auftritte auch vollkommen den geringsten Anmutungen von Humor verweigert. Die brachialen Gewaltausbrüche leiden nur unter dem völlig deplatzierten CGI-Blutgeklecker, ansonsten wird hier knallharte Ballerei vom Feinsten geboten. Und als nicht völlig gedankenloses Exploitationkino spielt Wans Film durchaus in der ersten Liga mit.

DEATH SENTENCE wird sehr schlechte Kritiken bekommen; nach der Vorstellung polterte ein alter, zu kurz geratener Fettsack "Menschenverachtender Müll ist das!" Schon allein dafür recken sich meine beide Daumen nach oben. In der Jahresbestenliste 2007 hat sich DEATH SENTENCE bei mir einen vorderen Platz freigeschossen.











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