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CHILDREN OF MEN (Großbritannien/USA 2006)

von Edda Baumann-von Broen

Original Titel. CHILDREN OF MEN
Laufzeit in Minuten. 109

Regie. ALFONSO CUARÓN
Drehbuch. ALFONSO CUARÓN . TIMOTHY J. SEXTON . DAVID ARATA
Musik. JOHN TAVENER
Kamera. EMMANUEL LUBEZKI
Schnitt. ALFONSO CUARÓN . ALEX RODRÍGUEZ
Darsteller. CLIWE OWEN . JULIANNE MOORE . MICHAEL CAINE . CHIWETEL EJIOFOR u.a.

Review Datum. 2006-10-24
Kinostart Deutschland. 2006-11-09

Selten geht man ja in Filme ohne große Erwartung, kaum wissend welche Handlung einen erwartet, allein, man mag das Ensemble und ahnt, daß hier das Genre Sci-Fi bedient wird.

Nichts hat mich auf die Wucht dieses Filmes vorbereitet. Aus Venedig hörte man Gemurmel von "bildgewaltig" bis zu "voller Pathos". Alles richtig, aber so am Kern vorbei. Man muss diesen Film allein dafür lieben, daß der gefühlte Soundtrack dazu das Album "Animals" von Pink Floyd ist, dessen Albumcover im Film ein überdeutliches Denkmal gesetzt wird.

Wenn man sich das Album anhört und die Fotos auf der Innenseite des Covers anguckt, weiß man also wo es langgeht - das isolierte Leben, die Raubtiere, die auf Jagd nach Beute sind, ein Leben ohne Empathie.

Es ist das Jahr 2020. Die Welt ist unfruchtbar geworden. Der jüngste Erdenbürger wurde gerade ermordet, und der Zuschauer bekommt durch die Tagesnachrichten einen Schnellrückblick der letzten 20 Jahre. New York, Europa, Afrika - alles Schutt und Asche. Bekannte Nachrichtenbilder der letzten Jahre werden hier so montiert, dass das Ende der Zivilisation zwingend wirkt. Allein - das Königreich Großbritannien hält die letzte Flagge hoch. Aber was für eine Zivilisation das ist: alles ist dreckig, an jeder Ecke weisen Videoscreens daraufhin, alles Verdächtige sofort zu melden. Auf jeden Ausländer wird Jagd gemacht.

Unser Held Clive Owen arbeitet für die Regierung und wirkt ziemlich autistisch. Kurze Momente zeigen, in welcher Welt er lebt. Sein Vorortzug wird von Autonomen mit Knüppeln und Steinen angegriffen, auf seinem Heimatbahnhof stehen Immigranten in Käfigen, die deportiert werden sollen. Gar nicht soviel anders als das, was Snake Plissken in Manhattan vorfand.

Doch es gibt eine kleine Oase, versteckt im Wald. Sein Vater (Michael Caine) und seine Mutter leben als Späthippies auf einem versteckten Grundstück. Genau genommen lebt von allen dreien nur noch der großartige Caine als kiffender Utopist, die Mutter ist behindert und teilnahmslos. Zeitungsartikel an der Wand suggerieren Folter der ehemaligen Fotojournalisten. Und Owen scheint schon lange innerlich tot zu sein.

Die Welt ist ein böser Ort, wenn die größte Hoffnung auf ein bisschen Ruhe eine ständig beworbene Suizidpille ist. Die Stimmung ist beunruhigend gewalttätig und hoffnungslos und obwohl tatsächlich eine junge Afrikanerin schwanger wird und von einer Untergrundbewegung außer Landes geschmuggelt werden soll, ist es nicht die biblische Dimension dieser Geschichte, die einen umhaut, sondern die schiere Bösartigkeit und Gewalttätigkeit der Menschen untereinander.

Clive Owens Ex (Juliane Moore, hier kurz und nicht gut) lebt seit vielen Jahren im politischen Untergrund und braucht seine Hilfe. Er muss ein Visum für die junge Afrikanerin besorgen, damit diese reisen kann. So kommen sie alle in ein Auto: das Ex-Paar, die Schwangere, ihre Hebamme und ein Mitstreiter aus dem Untergrund. Daß das nicht gut gehen kann, ist klar. Wie wenig gut es aber bereits Minuten später aussieht, hat mich ganz kurz an MAD MAX erinnert, an ESCAPE FROM NEW YORK und auch an ein wenig an 12 MONKEYS, obwohl Gilliams Version der Zukunft nicht nur Psychopathen beinhaltet.

Clive Owen ist mitten drin, er, der eigentlich schon abgeschlossen hatte, will die Afrikanerin retten, denn auch der Untergrund ist korrupt. Man bangt und hofft mit diesem Film. Immer größer werden die Hürden, immer fieser die Situationen. Als Mutter mag ich es nicht, wenn man Schwangere als Opfer hervorhebt. Hier ist die Richterskala des Bösen allerdings absolut nicht diskriminierend. Nicht mal der Drehbuchschreiber wird sich daran erinnern, wie viele Menschen hier niedergemetzelt werden. Und alles nur für ein Ziel - die einzige Schwangere sicher aus den Klauen der vermeintlichen Zivilisation zu befreien. Noble Savage, anyone?

Die größte Schwäche des Films ist, dass er über das erklärte Ziel, eine wichtige Botschaft zu überbringen, weit hinaus schießt. Er möchte sincere sein und bekommt seine überzogenen Charaktere und Schauplätze nicht ganz in den Griff. Wie man Pathos und Überhöhung seiner Aussage dienlich macht, hat Verhoeven in STARSHIP TROOPERS in großartiger Weise gezeigt. Subtil ist bei CHILDREN OF MEN nichts. Der Film ist eher ein ICE, der frontal auf einen zurast. Aber genau diese Schwäche erhöht letztlich das Kinoerlebnis - ein gefühlter B-Movie mit Top-Cast, Top-Cinematograhie und Top-Budget. Für mich analog zum Hören von "Animals" - der Stimmung dieses Meisterwerks kann man sich nur schwer entziehen. Auch wenn man weiß, dass die Jungs da - wenn auch auf ganz hohem Niveau - nur über die Zivilisation rumjammern.

Nach der Vorführung stürzten meine drehbuchschreibende Freundin aus L.A, die nie trinkt, und ich in die nächste Bar und kippten einige doppelte Tequila hinunter. Ich könnte schwören, in der Bar lief "Pigs on The Wing.".











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