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"You have conquered, and I yield. Yet, henceforward art thou also dead — dead to the world and its hopes. In me didst thou exist — and, in my death, see by this image, which is thine own, how utterly thou hast murdered thyself." - Mit diesen Worten endet die 1839 von Edgar Allan Poe verfasste Erzählung "William Wilson", die nunmehr nicht am Ende von THE BROKEN stehen, sondern in einleitender Manier zu Beginn des Films. Die Werke Edgar Allan Poes, dessen düsteres Oeuvre zu den bedeutenden Klassikern der Literaturgeschichte gehört, sind eigentlich für eine filmische Umsetzung prädestiniert, ist es doch zuvorderst der Film an sich, welcher sich wie kein zweites Medium darauf versteht, ein atmosphärisches dichtes Ambiente zu erzeugen. Doch bislang haben sich nur wenige der Herausforderung gestellt, einen Poe auf Zelluloid zu bannen. Und von den Wenigen, die dieses Wagnis eingegangen sind, sind die Meisten an der Vorlage gescheitert. Dass Edgar Allan Poe für das Kino nicht unverfilmbar ist, beweist nun Sean Ellis, der bei THE BROKEN nicht nur Regie geführt, sondern auch das zugehörige Drehbuch verfasst hat. Weniger als sklavische Adaption der literarischen Vorlage angelegt, sondern vielmehr als freie und moderne Adaption des Stoffes, gelingt es Ellis in THE BROKEN, einen äußerst atmosphärischen Horror-Thriller abzuliefern, dessen Horror eher auf der psychologischen und weniger auf der rein plakativ-blutigen Ebene zu verorten ist – und das ist im Kino leider mittlerweile zu einer echten Seltenheit geworden.
Wenn an dieser Stelle keine Worte zum Inhalt zu "William Wilson" verloren worden sind, so hat das seinen guten Grund. Kenner der Vorlage werden schnell riechen, aus welcher Richtung der narrative Wind weht, so dass in dieser Rezension jedes inhaltliche Wort zur Poeschen Vorlage eines zu viel wäre. Nichtsdestotrotz: Auch mit "William Wilson" Vertraute sollten THE BROKEN eine Chance geben, denn es ist nicht ohne Reiz zu sehen, wie es Ellis gelungen ist, einen über weite Strecken beklemmenden und fesselnden Horror-Trip zu erzeugen, der die Handschrift von Poe trotz der freien Interpretation deutlich in sich trägt. Es ist ein ganz normaler Abend im herbstlichen London. Die McVey-Familie ist zusammen gekommen, um den Geburtstag des Vaters zu feiern (Richard Jenkins). Die festliche und gute Stimmung kann selbst durch einen urplötzlich zerbrechenden Spiegel, der im Wohnzimmer hängt, nicht getrübt werden. Am nächsten Morgen macht sich die Ärztin Gina McVey (Lena Headey), wie jeden Tag, auf den Weg zur Arbeit. Doch plötzlich meint sie, in einem Auto auf der Straße sich selbst hinter dem Lenkrad zu entdecken. Verwirrt folgt sie der Frau. Wenig später wacht sie in einem Krankenhaus auf. Die Ärzte teilen Gina mit, dass sie einen Autounfall gehabt hätte. Die junge Ärztin kann sich jedoch an nichts mehr erinnern. Als sie nach Hause zurückkehrt, stellt sie fest, dass ihr ihr vertrautes familiäres Umfeld seltsam fremd geworden ist.
Der Schrecken schleicht sich in THE BROKEN auf leisen Sohlen in das Leben der Protagonistin. Ausgewaschene Farben und düsteres Ambiente vermitteln ein ununterbrochenes Gefühl der Bedrohung. Erst gegen Ende des Films verfällt Elis leider in das Muster, das plakative Schreckmoment in den Vordergrund zu stellen. Es ist bezeichnend, dass diese Effekte dann in THE BROKEN bemerkenswert deplaziert wirken und letztlich auch überhaupt nicht funktionieren. Doch zum Glück sind diese wenigen Szenen eine Ausnahme. Der Rest des Films wird dominiert von dem Grauen, das sich aus der Tatsache speist, dass das Fremde urplötzlich in die vertraute Intimität des eigenen Lebens Einzug erhält. Sean Ellis übernimmt dabei das psychologische Grundmotiv, das wird dem Zuschauer spätestens am Ende des Films klar sein, welches der literarischen Vorlage "William Wilson" zu Grunde liegt. Während die Nebendarsteller allesamt einen soliden Job erledigen, liegt der Fokus des Films eindeutig auf Lena Headey, die neben der gelungen Inszenierung zentrales Element des Films ist. Mit ihrer Person muss THE BROKEN also stehen, oder aber fallen – und THE BROKEN steht. Heady reüssiert mit ihrer Darstellung der jungen Ärztin, die anfangen muss, an ihrem Verstand zu zweifeln. Eine Frau, die sich an nichts erinnern kann und ständig von einer latent feindseligen Umwelt umgeben, dabei aber stets auf der Suche nach des Rätsels Lösung ist.
In der Summe ist THE BROKEN ein Horror-Thriller der gehobenen Kategorie und angesichts der Tatsache, welch magere Horrorkost bisweilen in den Kinos geboten wird, ist es umso bedauerlicher, dass THE BROKEN nicht den Weg in die hiesigen Kinos gefunden hat. Wer also auf den subtilen Schrecken mit alptraumhaftem Charakter steht, der sich in seiner Inszenierung Zeit nimmt, der nicht offensichtlicher Natur ist, und wer noch dazu Lust auf ein kleines Puzzle-Spielchen hat, der wird mit THE BROKEN nichts verkehrt machen. Man weiß natürlich nicht, wie Edgar Allan Poe über diesen Film gedacht hätte, aber die Chancen stehen durchaus gut, dass er gemocht hätte, was Sean Ellis aus seiner Vorlage gemacht hat.
THE BROKEN ist seit dem 26.06.09 bei Koch Media erhältlich
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