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Die Natur ist uns fremd geworden. Nicht erst heute, in Zeiten in denen ein Garten hinter dem Haus zum Luxusgut geworden ist und durch eine Grünfläche in Second Life ersetzt werden muss, haben wir uns von dem Raum absentiert, der einst unsere Heimat war. Seit der Mensch sesshaft geworden ist, seit er sich ungehemmt vermehrt und Grenzen zwischen dem Ich und dem Anderen gezogen hat, sind ihm der Wald, das Wasser, die Wildbahn und all die ihnen innewohnenden Kreaturen zum Feindbild geworden. Die absolute Dunkelheit liegt im Herz der Finsternis, das Böse ist DER WEISSE HAI, und doch sind das alles nur Projektionen auf Oberflächen, unter denen wir selber und unsere Wildheit lauern. Ob MÖRDERSPINNEN, PIRANHAS oder Krokodile in BLACK WATER, dem neuesten Einstrag in der Enzyklopädie der Naturhorrorfilme: Die Angst vor dem Unbekannten ist die Angst vor uns selbst. Wenn es im Dunkeln knackt, wenn es unter der Wasseroberfläche brodelt, dann ist Vorsicht geboten. Denn die Schwestern Grace und Lee sowie Lees Freund Adam müssen vor jedem Geräusch, jeder Bewegung auf der Hut sein. Schuld ist die beengte Lage in der sie sich befinden, nachdem ihr Touristenführer bei einem Bootstrip in die wilde Wasserlandschaft Nordaustraliens ums Leben gekommen ist. Oben auf dem Baum die drei Reisenden - unten der Mörder ihres Guides, ein gewaltiges Krokodil: Das ist das Setting von BLACK WATER, einem Film der daherkommt, wie ein Open-Air-Gruselkammerspiel mit 70er-Jahre-Feeling.
Details und deren Abwesenheit - davon lebt der Debütfilm von David Nerlich und Andrew Traucki. Ob es nun die Errungenschaften der Zivilisation sind - eine Brille, ein Revolver, Moskitospray oder ein Handy - , deren Verlust den Kampf gegen die Natur noch aussichtsloser machen, oder die unglaublich schön fotografierten, fast tierdokumentarisch-ruhigen Landschaftsaufnahmen des Films, der teilweise daherkommt wie eine wunderbare Naturdokumentation: Die beiden Filmemacher haben sich wirklich Mühe gegeben, die Stille vor dem Sturm in Bilder zu kleiden. Allein die Tatsache, dass es in der Nacht wirklich richtig dunkel ist, ist eine Sondererwähnung wert.
BLACK WATER ist - das ist sicher - eine große Überraschung. Denn ohne viel Schnick und noch weniger Schnack (sprich CGI) kommt dieser Film mit seiner vordergründig einfachen Storyline daher und überrumpelt den Zuschauer einfach mal eben so mit seiner packenden Spannung. Stockender Atem, stehenbleibendes Herz und große Freude über schönste Aufnahmen gehören im Auditorium zum Rezeptionsrepertoir. An DUEL von Spielberg denkt man teilweise und natürlich an DER WEISSE HAI des gleichen Regisseurs. Einen Kampf gegen das Andere und damit gegen sich selbst haben die beiden Debütatenten hier auf die Leinwand gezaubert. Ein Film, der einem die fremd gewordene Natur, das Wilde in sich selbst, wieder ein klein wenig näher bring und der sicherlich das Potenzial zu einem kleinen Klassiker hat.
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