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THE BEAST STALKER (Hong Kong 2008)

von Björn Lahrmann

Original Titel. CHING YAN
Laufzeit in Minuten. 109

Regie. DANTE LAM
Drehbuch. DANTE LAM . WAI LUN NG
Musik. HENRY LAI
Kamera. MAN PO CHEUNG . CHUNG-TO TSE
Schnitt. KI-HOP CHAN
Darsteller. NICHOLAS TSE . NICK CHEUNG . JING-CHU ZHANG u.a.

Review Datum. 2009-05-20
Kinostart Deutschland. nicht bekannt

In der amerikanischen Krimiserie HOMICIDE gab es mal eine Episode, die hieß "The City That Bleeds". Das hätte auch gut zu Dante Lams vergnüglichem B-Thriller THE BEAST STALKER gepasst (zumal der eigentliche Titel etwas zu werbewirksam an Lams größten Hit BEAST COPS erinnert): Sein Hongkong ist ein baufälliger Koloss von einer Stadt, ein enges, hitzestarres Hochhauskuddelmuddel voller Gerüste und Geräusche, die Tag und Nacht durch die dauergeöffneten Fenster knattern. Innerhalb der Wohnungen sieht es kaum besser aus, der Verputz blättert von den schwitzenden Wänden, und im Klo kommt die Scheiße wieder hoch.

In solch einer Wohnung haust Hung (Nick Cheung), ein Mann, der ähnlich versehrt ist wie die Stadt, in der er lebt: eine wulstige Narbe führt von seiner Stirn quer über den Nasenrücken, und sein rechtes, farbenblindes Auge sieht aus wie eine Kugel aus stumpfem Stahl. Seine Frau liegt indes querschnittsgelähmt im engen Wohnzimmer und wird Tag und Nacht von ihm umsorgt. Das Geld ist knapp, schlimmer noch: er ist hoch verschuldet, bei einem Gangsterboss, der gerade auf der staatlichen Anklagebank sitzt. Durch Handlanger lässt er Hung wissen, dass all seine Sorgen ein Ende haben könnten, wenn er nur die kleine Tochter der Staatsanwältin Ann Gao (Jing-chu Zhang) entführte, als Druckmittel, damit jene die Beweise gegen den Don vernichtet.

Das ist nun aber nicht der Anfang des Films, zumindest nicht direkt. Tatsächlich geht es nämlich so los: mit dem Polizisten Tong (Nicholas Tse), der sich eine furiose Verfolgungsjagd mit dem Boss liefert; mit einem blechhaltigen Autocrash, der der wilden Hatz ein unsanftes Ende bereitet (und aus unterschiedlichen Perspektiven mehrfach im Film eine Rolle spielen wird); und mit dem Tod der anderen Tochter Ann Gaos, die gekidnappt im Kofferraum des Fluchtwagens liegt und ausgerechnet von Tongs Warnschüssen tödlich getroffen wird. Es folgt eine gebührend kurze, schön pathetische Schuld-und-Sühne-Passage, bis im Gewühl einer Geburtstagsfeier plötzlich der monströs wirkende Hung auftaucht, Anns zweite Tochter mit tierhafter Mühelosigkeit unter den Arm klemmt und sich, wie einst der Glöckner, mit seiner Beute von dannen schwingt.

Der Funken Originalität, der dem ansonsten rein und fein funktionalen Skript innewohnt, ist eben dieser Verwischungseffekt, der Hung zwischen Horrorfilmmonster und Sozialdramenprotagonist oszillieren lässt. Erst schlägt er wilde Shotgun-Straßenschlachten gegen Tong, der die vermeintliche Bestie selbstredend mit besonderem Ingrimm jagt, weil es für ihn eine Schuld zu begleichen gilt – dann sitzt er mit seinem kleinen Entführungsopfer zusammen und sortiert die verschütteten Pillen seiner Frau, die er, da sie verschiedenfarbig sind, alleine nicht voneinander unterscheiden kann. Fast scheint es, als konstruiere der Film hier so etwas wie eine perverse Ersatzfamilie, deren unverhoffter Zusammenhalt die Wunden – des Körpers, der Stadt – für einen Augenblick zu schließen vermag.

Bevor man sich jetzt aber noch dazu hinreißen lässt, was von einer ökonomisch fundierten Rückbindung an den Frankenstein-Mythos oder so zu faseln: zuviel Subtext sollte man da lieber nicht hineinlesen. Die Baugerüste an den Häusern sind in erster Linie dazu da, um auf ihnen herumzuklettern, die Narben um der lieben Schockwirkung willen, und die multiple Wiederholung des Unfall nicht aus zwingender narrativer Logik, sondern, weil er das zentrale und dazu auch noch verflucht spektakuläre Set Piece in einer Produktion mit wohl eher bescheidenem Budget ist. Neben dem Geld besitzt Dante Lam vielleicht auch nicht die choreographische Eleganz eines Johnny To oder die narrative Eloquenz des Teams Lau & Mak, weiß dies aber gekonnt durch manische Handkamera-Hektik und eine derbe grittiness auszugleichen, die Hongkong in jenem müllig-ranzigen Neonlicht erstrahlen lässt, das für die Geschichte den idealen Nährboden abgibt. Abgerundet durch zwei starke Performances von Tse und Chung liefert THE BEAST STALKER noch einmal ab, worauf Hongkong vor gar nicht allzu langer Zeit das Patent hielt: schnörkellose, solide Genreunterhaltung.











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