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"Warum haben Sie die Filmhandlung im Jahre 1978 angesiedelt?" So lautete die erste Frage aus dem Auditorium, als der Abspann von BACKWOODS über die Leinwand geflimmert war. Der recht klein geratene Regisseur Koldo Serra erfreute mit entwaffnendem Pragmatismus: Ihn nerve in modernen Filmen, daß Mobiltelefone in Gefahrensituationen nie Empfang haben. Daher spielt sein Thriller in einer noch handyfreien Zeit. So einfach ist das manchmal.
BACKWOODS orientiert sich darüber hinaus aber auch stark am 70er-Feeling der Hinterwaldklassiker wie STRAW DOGS und DELIVERANCE. Ein junges englisches Paar (Paddy Considine und Virginie Ledoyen) besucht einen alten Freund (Gary Oldman), der mit seiner neuen Frau (Aitana Sánchez-Gijón) ein Haus im Baskenland gekauft hat. Die Urlaubsharmonie hält sich in Grenzen; insbesondere Considine und Ledoyen haben mit einer schweren Beziehungskrise zu kämpfen. Darüber hinaus glänzt auch die alteingesessene Dorfbevölkerung nicht mit ihrer Gastfreundschaft: Der grundsätzlich schlappe Considine wird belächelt, die schöne Ledoyen rückhaltlos angegiert. Allein der halbspanische Oldman kann mit einer gewissen Souveränität punkten. Als die zwei Männer am nächsten Tag in einem Haus im Wald ein verwahrlostes Mädchen finden und das verstörte Kind mitnehmen, stellen sie sich unfreiwillig gegen die gewaltbereiten Dorfmannen. Die bis dahin unterschwellig spürbare Gewalt entlädt sich erwartungsgemäß, und die Begegnung der zwei Parteien endet in mehr als nur einer Katastrophe.
Koldo Serra wäre sicher der erste, der sich zu seinen Anleihen bei Peckinpah bekennt. Die zur Schau gestellten Brustwarzen der Ledoyen erinnern nicht von ungefähr an die entsprechende Szene mit Susan George in STRAW DOGS, und wenn Considine mit der Doppelläufigen im Parka durchs Unterholz stakst, während sich die fiesen Bauernjungen über seine Freundin hermachen, sieht das aus wie ein durchgepauster Dustin Hoffman aus demselben Film. Im Gegensatz zu Peckinpah hat Serra aber nicht viel zu erzählen, was über das Gezeigte hinausginge. BACKWOODS ist keine metaphorische Untersuchung von Gewaltmechanismen, sondern "nur" ein starker, spannender Thriller in geschickt gewähltem Ambiente. Getragen wird Serras Film von Gary Oldmans überraschend zurückgenommener Darstellung, die zweifelsohne zu den stärksten Auftritten dieses gemeinhin eher exzentrischen Schauspielers gehört. Oldmans Leistung ist um so wichtiger, als daß Paddy Considine eine Figur spielen muß, die nichts versteht und nichts verstehen will. Considine wirkt in seiner Rolle ebenso überfordert wie die Figur selbst; man hat den Eindruck, er habe keinen Zugang zu der Dummheit dieses Charakters gefunden.
BACKWOODS hinterläßt aber insgesamt schon deshalb einen guten Eindruck, weil sich Serra erfolgreich der gegenwärtig so verbreiteten Erklärwut verweigert. Sowohl die privaten Konflikte der Hauptfiguren wie auch das Schicksal des mißhandelten Mädchens werden von ihm angedeutet und auch durchaus begreifbar gemacht, wenn man dazu bereit ist, mitzudenken. Und das sollte genügen. Erst im viel zu dramatischen Finale mit pünktlich einsetzendem Gewitter verfällt sein Film vom dunklen Hinterwald ins platteste Flachland und kommt auch nicht mehr hoch. Damit verwehrt er sich den Status eines kleinen Klassikers seiner Zunft.
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