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BABEL (USA 2006)

von Martin Eberle

Original Titel. BABEL
Laufzeit in Minuten. 142

Regie. ALEJANDRO GONZÁLEZ IÑÁRRITU
Drehbuch. GUILLERMO ARRIAGA
Musik. GUSTAVO SANTAOLALLA
Kamera. RODRIGO PRIETO
Schnitt. DOUGLAS CRISE . STEPHEN MIRRIONE
Darsteller. BRAD PITT . CATE BLANCHETT . ADRIANA BARRAZA . RINKO KIKUCHI u.a.

Review Datum. 2006-11-30
Kinostart Deutschland. 2006-12-21

Babel: Sinnbild für die Überheblichkeit des Menschen, die Sprachverwirrung unter ihnen als Folge, Sündenpfuhl und Gottesferne und Opfer von Gotteszorn.

Das zu wissen hilft, BABEL, den Film, zu verstehen, denn er ist, freundlich gesagt, ein wirres Konglomerat von Handlungssträngen, die eine Vernetzung von Einzelschicksalen über drei Kontinente hinweg darstellen sollen.

Da haben wir zum Beispiel das besserverdienende Gutmenschenehepaar aus San Diego (Pitt/Blanchett), das seine Eheprobleme auf einer Reise nach Marokko in den Griff kriegen möchte. Sprachlosigkeit zwischen den beiden. Schon klar. Sie wird dann bei einem Busausflug von einem Hirtenjungen angeschossen. Keine böse Absicht, eher Doofheit von dem ansonsten sehr pfiffigen Jungen.

Die übrigens illegal bei dem besserverdienenden Gutmenschenehepaar beschäftigte Kinderfrau möchte zur Hochzeit ihres Sohnes in Mexiko. Das geht jetzt leider nicht, kein Aufsichtspersonal für ihre Schützlinge, bzw. dann aber doch. Sie nimmt das goldige Geschwisterpärchen einfach mit über die nahe Grenze.

In Tokio pubertiert ein taubstummes Mädchen. Sie hat eigentlich nichts weiter mit dem Film zu tun. Ach doch, ihr Vater hatte das Gewehr, mit dem Pitts Ehefrau angeschossen wurde, seinem marokkanischen Jagdführer geschenkt, der es dann dem Vater des Buben verkaufte, der den dann zum Hyänenschiessen schickte, wo es dann zum Unglück kommt, weshalb die Kinderfrau eigentlich nicht zur Hochzeit kann, weil niemand anderes sich um die Kinder des besserverdienende Gutmenschenehepaares kümmern kann, dann aber doch, das Unglück nimmt seinen Lauf, und so weiter und so weiter und so weiter und so fort.

Regisseur und Ideengeber Iñárritu will BABEL bestimmt als ein tiefschürfendes, sensibles, vielschichtiges Mosaik verstanden wissen, dass die Einzelschicksale der Menschen sowohl drastisch als auch einfühlsam miteinander verbindet.

Das hat er aber nicht hingekriegt, vielleicht sogar nicht mal versucht. Warum sonst sind seine Geschichten um diese Menschen so dumm ausgedacht und so mau motiviert? Warum sonst wird die gute Kameraarbeit von Rodrigo Prieto durch uninspirierten, hektischen Schnitt so verhackstückt? So wird der Blick auf die fremden Menschen Marokkos unmöglich gemacht. Sobald das Gesicht z.B. eines Passanten zu erkennen wäre, wird sofort umgeschnitten. Dieses Schnittstakkato geht so weit, dass der profane Anflug eines Hubschraubers aus drei vier Einstellungen sinnlos zusammengehackstückt wird. Jeder Gartenhäcksler wäre sensibler mit dem Material, mit den Menschen auf dem Material umgegangen!

Das scheint aber ganz im Sinne Iñárritus gewesen zu sein. Er ist seinen Figuren ein schlechter Schöpfer: die werden gnadenlos vorgeführt und denunziert, in immer dümmere Situationen gebracht und dann schäbig allein gelassen. Von Empathie keine Spur.

Ein Beispiel: die Kinderfrau, jahrelang treu für ihre Mündel sorgend, lässt sich mitten in der Nacht von ihrem besoffenen (!!!) Neffen zurück in die USA fahren! Der dreht an der Grenze durch und rast mit seinem Auto durch die Sperren! Dann schmeißt er Tante und Kinder in der Wüste raus (da sterben die Menschen! Und zwar in echt!)! Dann, nach der knappen Rettung durch eine Grenzstreife, wird die Kinderfrau von einem Beamten zusammen gestaucht, wie dämlich sie sich verhalten habe, die Kinder in der Wüste auszusetzen. Unverantwortlich, weil da sterben ja Menschen! Die Abschottung der USA mit einer enormen Grenzanlage wird einfach als Naturereignis dargestellt, dem man sich besser nicht aussetzen sollte. Zu guter Letzt wird sie stante pede nach Mexiko abgeschoben, mit dem Hinweis, sie habe sich illegal beschäftigen lassen. Lange Nase, selber schuld...

Ähnlich schlecht ergeht es fast allen Protagonisten (nur an Superstar Brad Pitt hat sich der lockige Mexikaner nicht rangetraut), die in ihrer dramatischen Situationen auch mal kalauernd noch einen eingeschenkt bekommen. Ob nun das japanische Mädchen mit männlichem Blick denunziert wird (das Drehbuch lässt es nach einer unerwiderten Schwärmerei das Höschen verlieren, um den Jungs ein "haariges Monster" zu zeigen. Die männlichen Teenager im Film reagieren übrigens genau so wie Teile der männlichen Pressebaggage im Kino: "höhöhö"), oder die anstehende Auslöschung der Hirtenfamilie mit einem kleinen comic relief lustiger gemacht wird (das Spannern des Todesschützen nach seiner eigenen Schwester wird vom Bruder gleich mitgepetzt!), hier kriegt fast jeder noch eine schöne Packung mit.

Sollte Iñárritu den Altherrenwitz in seinen zukünftigen Filmen weiter ausbauen, er hätte das Zeug zum Fips Asmussen des Arthouse-Kinos. Zum Kotzen.

Andererseits, und mit etwas Abstand betrachtet, ist BABEL ein Meisterwerk auf Metaebene. Die Parabel um Selbstgefälligkeit und Arroganz, die beim bereits erwähnten Turmbau zu Babel für eine komplette Sprachverwirrung und damit das totale Fiasko des gigantomanischen Projekts sorgte, kann auch auf dieses wahnwitzig langweilige Machwerk übertragen werden.

Überambitioniert, menschenfern, gescheitert.











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