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DER BABADOOK (Australien/Kanada 2014)

von André Becker

Original Titel. THE BABADOOK
Laufzeit in Minuten. 90

Regie. JENNIFER KENT
Drehbuch. JENNIFER KENT
Musik. JED KURZEL
Kamera. RADOSLAW LADCZUK
Schnitt. SIMON NJOO
Darsteller. ESSIE DAVIS . NOAH WISEMAN . HAYLEY MCELHINNEY . DANIEL HENSHALL u.a.

Review Datum. 2015-05-05
Kinostart Deutschland. 2015-05-07

Don't believe the hype! Oder anders formuliert: Die australisch-kanadische Koproduktion DER BABADOOK ist leider nicht das erwartete Horror-Highlight, zu dem der Film vielerorts verklärt wurde. Solides, streckenweise gar recht intelligent und mit großer Ernsthaftigkeit aufgezogenes Grusel-Kino alter Schule, dass ist das Spielfilmdebüt der Regisseurin Jennifer Kent durchaus, aber eben auch nicht viel mehr.

Das Leben meint es nicht besonders gut mit der Krankenschwester Amelia (Essie Davis). Seit dem Tod ihres Mannes ist sie mit der Erziehung ihres auffälligen sechsjährigen Sohnes Samuel (Noah Wiseman) vollkommen auf sich allein gestellt. Sein aufbrausendes Verhalten stößt sie immer wieder an ihre Grenzen und führt dazu, dass auch Bekannte zusehends das Weite suchen. Eines Tages findet sie in Samuels Zimmer ein mysteriöses Kinderbuch mit dem Namen Mister Babadook. Obwohl ihr bereits der Buchumschlag einen Schauer über den Rücken jagt, liest sie ihrem Sohn daraus vor. Kurze Zeit später treten im Haus unerklärliche Vorfälle auf, die zunächst lediglich von Samuel registriert werden. Zutiefst verstört flüchtet sich dieser in die Arme seiner Mutter, die ihm allerdings anfangs nicht glaubt und die Geschehnisse als pure Einbildungen ihres Kindes abtut. Ein folgenschwerer Fehler, denn nach und nach bemerkt Amelia, dass sie durch das Vorlesen der Geschichte eine grauenhafte Kreatur geweckt hat.

Ein Riesenproblem des Films ist es sicherlich, dass die Hauptfigur Samuel leider von Beginn an ziemlich nervt und es somit äußerst schwer fällt hier angemessen mit zu fiebern. Auch die Mutter macht es einem nicht gerade leicht sich auf ihren Charakter und ihre mitunter recht anstrengend anzuschauenden Verhaltensmuster bzw. Erziehungsansätze einzulassen. Fairerweise muss diesbezüglich angemerkt werden, dass DER BABADOOK in Punkto Charakterzeichnung vom stromlinienförmigen Einheitsbrei Hollywoods meilenweit entfernt ist und ihm allein schon deshalb Lob gebührt.

DER BABADOOK ist kein Film, der auf drastisch-blutige Schocks oder einkalkulierte Jumpscares für pickelgesichtige Teenager abzielt. Mit zum Teil einfachen Mitteln (z.B. eine effizient eingesetzte Geräuschkulisse) setzt die Regisseurin auf subtil zugespitzten, psychologischen Horror und pointiert eingesetzte Thrills, die in eine äußerst steile Spannungskurve münden und am Nervenkostüm des Publikums sägen. Wohldosierte Gänsehautmomente sorgen wiederum für eine angemessen schaurige Atmosphäre. Die wenigen Effekte überzeugen ebenso und wirken keinesfalls als Störfaktor für das sonst eher klassisch ausartikulierte Grusel-Feeling. Sehr scary ist zudem der Babadook selbst. Gerade durch den vermeintlichen Kinderbuchursprung und die minimalistisch dargestellten Bewegungsabläufe umweht die titelgebende Figur eine ungemein bedrohliche Aura.

Das der Film sehr feinfühlig und fast ohne das Abdriften in Klischees eine problembelastete Mutter-Kind-Beziehung beleuchtet und sich diesbezüglich nicht davor scheut Ambivalenzen zuzulassen ist ein weiterer Pluspunkt. Regisseurin Kent bringt ferner das nötige Maß an Empathie für ihre Figuren auf, so dass hier die gesamte Bandbreite einer hochgradig komplexen Beziehungsstruktur eingefangen wird. Nichtsdestotrotz wird man das Gefühl nicht los, dass mehr drin gewesen wäre. Mehr Spannung, mehr Nervenkitzel und ein wirkungsvolleres Ausspielen der ganzen Bedrohlichkeit des Babadook. Es mag an der allgegenwärtigen Übersättigung, vor der auch der geneigte Cineast und vor allem der Genre-Aficionado nicht gefeit ist, liegen. Möglicherweise ebenso an den zu hohen Erwartungen, die eine unvoreingenommene Rezeption erschweren. Im Endergebnis bleibt dennoch das Gefühl einen guten, angenehm bodenständigen Horror-Film für Erwachsene gesehen zu haben, dem trotz aller positiven Merkmale das gewisse Etwas fehlt.

DER BABADOOK ist letztlich immer noch wesentlich besser als ein Großteil der Möchtegern-Gruselstreifen, die mit hartnäckiger Regelmäßigkeit in kleiner und großer Kopienzahl in den Lichtspielhäusern anlaufen. Das ist jedoch und hier wird die Misere eines ganzen Genres sichtbar nicht besonders schwer. Speziell der amerikanische Genre-Film hat sich in den letzten Jahren nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Selbst aus dem asiatischen Raum, einst Garant für Gruselschocker allererster Güte, kam zuletzt wenig Aufregendes. Regisseurin Jennifer Kent sollte man aber definitiv im Auge behalten. Ihr Können ist offenkundig und ebenso ihr Potential auf eine Filmemacherin, die es im Genre-Kino (und darüber hinaus) weit bringen könnte. Vielleicht ist dies die wahre Erkenntnis, die man nach dem Kinobesuch mit nach Hause nimmt. Das Dook Dook des Babadook verhallt dann doch schneller in der Nacht als wohl beabsichtigt.











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