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ASHES OF TIME REDUX (Hong Kong 1994/2008)

von Andreas Neuenkirchen

Original Titel. DONGXIE XIDU
Laufzeit in Minuten. 93

Regie. WONG KAR WAI
Drehbuch. WONG KAR WAI
Musik. FRANKIE CHAN . ROEL A. GARCIA
Kamera. CHRISTOPHER DOYLE
Schnitt. WILLIAM CHANG SUK PING . PATRICK TAM
Darsteller. LESLIE CHEUNG . TONY LEUNG CHIU WAI . MAGGIE CHEUNG . TONY LEUNG KA FAI u.a.

Review Datum. 2008-11-03
Kinostart Deutschland. 2009-09-17

Fangen in die Jahre gekommene Filmemacher an ihre alten Filme zu reduxen, ist das ein sicheres Zeichen dafür, dass so langsam der Saft raus ist. Schlimm ist das nicht, das Publikum hat es meist schon lange vor den Künstlern gewusst. Man seufzt und sagt sich: Vielleicht ist es besser so. Es war schmerzhaft mit anzusehen, wie sich Wong Kar Wai in den letzten Jahren zunehmend in Wim Wenders verwandelte. Da schaut man sich lieber eine neu arrangierte Wiederholung aus der guten alten Zeit an, als noch einen Film über Leute, die sich stundenlang in Hotelzimmern anschweigen.

ASHES OF TIME, seinerzeit etwas untergegangen, entstand 1994 zwischen CHUNGKING EXPRESS und FALLEN ANGELS, Kar Wais stärksten Filmen. Ein gutes Zeichen, sollte man meinen. Tatsächlich aber ist ASHES OF TIME, zumindest in der Redux-Version, ein Vorbote der kunstgewerblichen Langeweile, die zum stilbildenden Element der späteren Filme des Regisseurs wurde.

Ouyang Feng (Leslie Chung) ist ein müder Schwertkämpfer im alten China, der sich aus dem aktiven Schwertkämpferleben in ein Exil in der Wüste zurückgezogen hat. Das bisschen Geld, das er zum Leben braucht, verdient er sich mit blutigen Auftragsarbeiten, die er größtenteils an Kollegen outsourcet, zum Beispiel einen erblindenden Soldaten (Tony Leung Chiu Wai), oder einen jungen Martial-Arts-Experten (Jacky Cheung). Mal geht es um Blutrache, mal will einer Banditenbande Einhalt geboten werden. Aber meistens passiert nicht viel.

Oft hört man, ASHES OF TIME REDUX sei für einen Wuxia-Film recht ungewöhnlich. Dies zu behaupten ist so, als würde man sagen, dass PRETTY WOMAN für einen Splatter-Film recht ungewöhnlich ist. ASHES OF TIME REDUX ist schlicht kein Wuxia-Film. Er erinnert somit weniger an Ang Lees CROUCHING TIGER, HIDDEN DRAGON als viel mehr an Ang Lees HULK: Orthodoxen Genre-Fans mit unflexiblen Erwartungshaltungen bleibt nichts anderes übrig, als fassungslos zuzuschauen, wie ihnen die Felle davonschwimmen. Nun sind Erwartungshaltungen freilich dazu da, von aufrechter Kunst mit Füßen getreten zu werden. Aber man sollte hinterher auch das Gefühl haben, dass es sich gelohnt hat. Hier hat man nur das Gefühl, dass der Künstler zwar wusste, was er nicht wollte, aber nicht wusste, was er stattdessen wollte. Möglicherweise schwebte ihm eine beckettsche Anordnung vor, in denen die Figuren lediglich Symbole für etwas sind. Er gibt aber zu wenige Anhaltspunkte, als dass man sich für die Entschlüsselung der Symbole interessieren würde. Wir lernen die Charaktere als frühzeitig vergreiste Männer und hysterische Kreischweiber kennen. Es ist schwierig, sich für solche zu erwärmen, zumal man nur andeutungsweise erfährt, warum sie so geworden sind.

Dramaturgisch fühlt man sich lange wie in einem französischen Briefroman, nur ohne die pointierten Dialoge und unterscheidbaren Figuren. Es wird viel darüber geredet, wer wann wen wie wo weshalb in wessen Namen umbringen soll. Wenn es mal konkret handgreiflich wird, verweigert sich der Film der klassischen Wuxia-Gefechtsästhetik. Die wenigen Kämpfe sind visuell derart verfremdet, dass der Effekt von Buntwäsche in der Waschmaschine entsteht. Das ist hübsch anzusehen, aber aufregend ist es nicht. Ansonsten schuldet die Optik mit bewegungsunfreudigen Mannsbildern in karger Landschaft viel dem Italo-Western. Vergleicht man ASHES OF TIME REDUX hingegen im Umfeld des moderneren Dekonstruktionswesterns, was thematisch alles andere als abwegig ist, landet man leider eher bei BLUEBERRY UND DER FLUCH DER DÄMONEN als bei DEAD MAN.

Eines muss man Wong Kar Wai lassen: Ästhet ist er. Und so ist es in erster Linie der Ästhetik zu verdanken, dass man das ganze unbeschadeter als andere Katastrophenfilme hinter sich bringen kann, wenn man frühzeitig alle Hoffnung fahren lässt und die Schotten weitgehend dicht macht. Man liest einfach die Untertitel nicht mehr, blendet die schrecklich bevormundende Musik aus, hört nur noch auf den wunderschönen Singsang dieser fremden Sprache, von der man hoffentlich kein Wort versteht, und erlebt die Bilder als Feierabend-Trance. Geschmackvoll ausgeleuchtete Gesichter, Wüste und Wetter in übersteuerten Knallfarben, und hin und wieder steht da ein Kamel auf weiter Flur. Hinterher sagt man sich: Ich hatte schon schlechtere Trancen. Aber leider auch schon sehr, sehr viele viel, viel bessere.











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