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DER ANDERE (USA 2008)

von Michel Opdenplatz

Original Titel. THE OTHER MAN
Laufzeit in Minuten. 88

Regie. RICHARD EYRE
Drehbuch. RICHARD EYRE . CHARLES WOOD
Musik. STEPHEN WARBECK
Kamera. HARIS ZAMBARLOUKOS
Schnitt. TARIQ ANWAR
Darsteller. LIAM NEESON . LAURA LINNEY . ANTONIO BANDERAS . ROMOLA GARAI u.a.

Review Datum. 2010-06-24
Kinostart Deutschland. 2010-07-01

Es ist immer wieder erfreulich, wenn sich ein Film mit Einstellungen Zeit lässt: für Gesten, für Mimik, für Nahaufnahmen - und eben auch für das, was jenseits der Schauspieler passiert. Gerade bei hochkarätig besetzten Produktionen wie DER ANDERE verhindert diese Art des Erzählens eine voreilige Konzentration auf die bekannten Gesichter. Denn so begeistert und begeisternd Liam Neeson und Antonio Banderas hier auch wieder einmal spielen, sie könnten die emotionale Komplexität der Geschichte (übrigens nach einem Kurzprosastück von Bernhard Schlink) nur schwerlich alleine tragen. Zum Glück erhalten sie die benötigte szenische Unterstützung. Das mag freilich daran liegen, dass Regiesseur Sir Richard Eyre im Theater beheimatet ist. Und das wiederum kann einem gefallen, oder eben auch nicht. Unleugbar ist nämlich: dieser Film erfordert Geduld, die er jedoch nicht unbelohnt lässt.

Die Handlung kommt in ihrer Abfolge zunächst recht unschuldig daher: Peter (Neeson), Chef eines Softwareunternehmens, und Lisa (Laura Linney), erfolgreiche Schuhdesignerin, sind seit Jahren verheiratet, offenbar glücklich. Einziges Problem scheint die erwachsene Tochter Abigail (Romola Garai) darzustellen, mit deren Lebensgefährten sich Peter nicht recht einverstanden zeigt und die auch sonst nicht gut auf ihren Vater zu sprechen ist. Nach einer Modenschau dann ein gemeinsames Restaurantessen des Ehepaares und Lisas Fragen, ob Peter denke, man könne zwei Menschen gleichzeitig lieben und ob er nicht auch mal mit einer anderen Frau schlafen wolle. Er tut all dies - kaum zu zögerlich - ab und postuliert, glücklich zu sein. Auch Lisa behauptet dies von sich; wenn dem nicht so wäre, würde sie eines Tages einfach gehen und nichts mitnehmen. Intercut mit der Wohnungstüre, die sich hinter ihr schließt - Peter steht alleine im gemeinsamen Haus und sortiert mit Hilfe von Abigail die Habseligkeiten seiner Frau aus. Ein Zettel mit dem Namen LAKE COMO in der Handschrift seiner Frau lässt den Ehemann misstrauisch werden: Er war mit Lisa niemals am Comer See. Ein passwortgeschützter Bilderordner auf dem Rechner seiner Frau bewahrheitet schließlich seine Befürchtung: Lisa hatte "einen Anderen".
Der nennt sich Ralph (Banderas) und wird von Peter, der sich in E-Mails an den Konkurrenten als Lisa ausgibt, mit trickreicher Hilfe seiner Softwarefirma in Mailand ausfindig gemacht. Dies ist jedoch nur der erste Schritt des eifersüchtigen Ehemannes in Richtung von Intrige und Illegalität: Statt Ralph zu konfrontieren, verschweigt er seine Identität und erschleicht sich das Vertrauen und die Freundschaft des Nebenbuhlers beim Spiel in einem Schachcafé. Und noch bevor Tochter Abigail ihrem verschwundenen Vater hinterherreist, ist dem Zuschauer längst der einzige Sinn und Zweck von Peters Vorgehen klar: Er will den Mann, den er für das Verschwinden seiner Frau verantwortlich macht, töten...

Die Musik von Stephen Warbeck gibt sich zurückhaltend und ist doch Mitträger der Handlung, das Spiel zwischen Peter und Ralph fantastisch in Szene gesetzt und spiegelt sich auch über die Schachpartien hinaus, denen sie sich verbissen hingeben. Beide bauen auf ihre eigene Weise Fassaden auf, die sie nicht aufrechterhalten können und trotzdem immer wieder zu kitten und zu erweitern versuchen. Doch nicht nur die Antipole, die in den gegensätzlichen Charakteren der Männer zum Ausdruck kommen, sind Thema dieses Films, sondern auch alles, was zwischen ihnen entsteht und sich bewegt. Wenn beispielsweise beim E-Mail-Kontakt über Lisas PC die pixeligen Nahbetrachtung des Bildschirm nicht nur Peter sondern auch dem Zuschauer ins Auge sticht oder die monotonen Geräusche des Rechners mit Schlagbohrervehemenz ins Ohr hämmern, entsteht trotz Lisas Abwesenheit eine geradezu physisch wahrnehmbare Verbindung zwischen den drei Figuren. Und sicherlich fragt Abigail ihre Mutter auch nicht grundlos: "Es muss nicht immer entweder, oder sein, nicht wahr?"
Eine Irritation und somit auch die spannendste Frage des Films bleibt bis zur pointierten Konfrontation der beiden Männer stets die radikale Verbissenheit Peters. Auf das Aufmerksamkeitsgesuch seiner Tochter ("Erde an Dad?") angesischts seines apathischen Verhaltens sieht er weiterhin nichts anderes als Lisa: "Ist sie dorthingegangen? Ins Weltall?". Liam Neeson gelingt es, diesen Zustand erschreckend glaubhaft zu verkörpern und den mitleidigen Zuschauer gleichsam dennoch wundern zu machen: Wieso wirkt dieser Mann derart getrieben, ja, sogar paranoid? Muss nicht noch ein bisschen mehr hinter der ganzen Sache stecken? Und auch hier enttäuscht der Film nicht, denn in der Tat: So ist es.

"Der Andere", so das Credo der Geschichte, ist stets eine Sache der Perspektive, und nicht immer läuft eine Entscheidung auf simples Ja oder Nein hinaus. Ein angespannter, teilweise ein bedrückender Film, und trotzdem kein Drama, das den Zuschauer mit einer "Die Welt ist schlecht und wird sich niemals ändern"-Einstellung zurücklässt. Genau das Richtige zum Reflektieren, der ideale Ruhepol im weltmeisterschaftlichen Vuvuzelalärm - gelungene Alternative zum Popcornkino.











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